Im Sog der Zeit:


DEr Heimat den Rücken kehren

In der Mitte des 19. Jahrhunderts bestanden in Deutschland schwierige wirtschaftliche und politische Verhältnisse. Diese standen im Zusammenhang mit einem raschen Bevölkerungswachstum. Die Verbesserung der hygienischen und medizinischen Bedingungen war die Ursache dieser Entwicklung. Zwar brachte auch die beginnende Industriealisierung Arbeit für die Menschen, doch auch Ungerechtigkeiten und Abhängigkeiten von der herrschenden Klasse.
Schlechte Witterungsbedingungen führten zu Missernten und die Ernährungslage der wachsenden Bevölkerung verschlechterte sich zusehens. Aufruhen in der Arbeiterklasse wurde mit militärischen Mitteln niedergeschlagen oder bereits im Keim erstickt. Politische Unruhen 1848/49 verstärkten die prekäre Situation, besonders in der Arbeiterschaft und im Handwerk. Es bestand in großen Teilen der Bevölkerung Armut und Ausweglosigkeit und so zeichnet sich in diesen Jahren wiederholt eine große Bereitschaft zur Auswanderung nach Amerika ab. Es war für viele Menschen die einzige Alternative.

Aufbruch nach Amerika


Bereits 1836 wagten Familien aus dem benachbarten Kreis Olpe die Überfahrt in die neue Welt, begleitet vom Pfarrer Anton Kopp aus Kirchveischede. Sie strandeten in Detroit, wo sie Land zum Siedeln in Ionia kauften und machten sich zu Fuß auf den weiten Weg dorthin. Im darauf folgenden Frühjahr begannen die Rodungen und die Errichtung von Gebäuden. Am Aufbau und der Gründung dieser sauerländisch orientierten Siedlung, die den Namen „Westphalia“ erhielt, waren Angehörige der Familie Dünnebacke aus Niedermarpe und Leckmart beteiligt. Ihre Briefe in die alte Heimat sind typisch für diese Zeit, denn sie förderten die Aufbruchsstimmung hierzulande und veranlassten viele Sauerländer es den Angehörigen gleichzutun:


„Justiz- und Polizeibeamte sind hier wenige. Es ungeachtet herrscht hier ebenso gute Ordnung wie in Deutschland. Woher kommt aber diese? Weil hier jeder als freier Mann und nicht als Sklave der Oberen lebt und zudem mit wenigen Abgaben belastet ist und daher ein jeder sich selbst mit Freude an Ordnung hält. Oh, welch grässlicher Anblick, wenn man täglich in Deutschland Männer mit roten Kragen und andere mit grauen Mänteln herumschleichen sieht, als wenn jedes Haus ein Aufenthalt von Dieben und Räubern wäre,“ so eine Darstellung in einem Brief vom 5.2.1837, den Johann Christoph Dünnebacke an seinen Bruder in Niedermarpe schrieb. Schon am 31.5.1837 schreibt er erneut und drängt den Bruder, es ihm gleichzutun: „Ich hoffe dich bald hier zu sehen, denn wenn ich nicht gewiss einsehen täte, dass es hier für dich weit besser ausfällt als zuhause, so wäre es ja ein schlechter Bruderstreich von mir, dich hierhin zu verführen. Ich verheiße dir hier mehr im Monat, als du zuhause im ganzen Jahr verdienst.“ Er verliert kein Wort von den Strapazen und den Gefahren der Überreise. Und es fällt kein Wort von den Mühen der Aufbauarbeit und dem Ringen nach Land.

Sechs bis acht Wochen dauerte damals eine Schiffsreise. Eine unzureichende Ernährung, verdorbene Lebensmittel, abgestandenes Trinkwasser und katastrophale hygienische Verhältnisse auf den völlig überfüllten Seglern führten unweigerlich zur Erkrankung der Menschen. Viele starben an Typhus, denn vor allem der Wassermangel wirkte sich verheerend aus. Oft trachteten plündernde Matrosen den meist unbewaffneten Passagieren nach Hab und Gut, gar nach dem Leben.  Doch all das schreckte die zur Auswanderung bereiten Menschen nicht ab. Die Aussicht, der Not und dem Elend in der alten Heimat entkommen und ein auskommendes Leben in der Ferne führen zu können, ließen nicht nur tatendurstige junge Männer den Entschluss zur Auswanderung fassen. Ganze Familien, Männer, Frauen und Kinder, kehrten ihrer Heimat den Rücken und folgten denen, die auf dem fernen Kontinent Amerika bereits Fuß gefasst und manchen Weg für die Nachkommenden geebnet hatten.

Eine Erfolgsgeschichte


Joseph Wüllner aus Sallinghausen (geb. 3.3.1824, gest. in Detroit 1913)
Joseph Wüllner aus Sallinghausen (geb. 3.3.1824, gest. in Detroit 1913)

Auch der junge Franz Joseph Wüllner, nachgeborener Sohn auf Nurks Hof in Sallinghausen (geb. am 3.3.1824) sah für sich keine gute Zukunft in der Heimat. Er hatte das Handwerk des Wagners oder Stellmachers gelernt und als solcher war er in der Lage, Fahrzeuge für die Personen- und Güterbeförderung zu bauen, insbesondere Handwagen, landwirtschaftliche Geräte, Kutschen, Anhänger und Aufbauten. Besonders das Gestell einschließlich der Achsen und Räder wurden vom Wagner gefertigt.

Bei ihm reifte schon sehr früh der Gedanke an eine Auswanderung nach Amerika, denn seit Jahren machten Nachrichten die Runde, dass viele Sauerländer im Urwald Michigans eine neue Heimat und eine Existenz gefunden hatten. Auch Joseph Blanke, geboren um 1795, aus dem Nachbarhause in Sallinghausen hatte bereits in Detroit seit Jahren Fuß gefasst. Nun wollte Wüllner  es ihm gleichtun.

Diesen Weg vor Augen, absolvierte er den Militärdienst. Es bestand damals eine allgemeine, siebenjährige Wehrpflicht in Deutschland. Alle Männer mussten drei Jahre aktiv Dienst und vier Jahre Reservedienst leisten. Auswanderungswillige junge Männer zwischen 17 und 25 Jahren mussten die Entlassung aus dem „Untertanen-Verband“ bzw. die Genehmigung der Kreisersatz-Kommission einholen, damit sichergestellt war, dass sie sich mit der Auswanderung nicht ihrer Militärdienstpflicht entzogen. Ansonsten wären Sanktionen wegen Fahnenflucht zu befürchten gewesen.

Am 3. März 1850 wird Joseph Wüllner 26 Jahre alt und sein Entschluss zur Auswanderung war gefasst und sollte nun in die Tat gesetzt werden. . Zusammen mit seinem Bruder, dem Hoferben Franz Wüllner, hatte er am 9. Februar 1850 in Arnsberg den Privattestator Joseph Schlieper aufgesucht um dort ihre Vereinbarung bezeugen zu lassen. Es wird vertraglich festgestellt: „Joseph Wüllner hat das Wagnerhandwerk erlernt, seiner Militärdienstpflicht genügt und hat während dieser Zeit von Franz Wüllner Geldunterstützungen erhalten.“ In Anbetracht seiner bevorstehenden Auswanderung verzichtet Joseph auf das ihm im Testament seines sehr früh verstorbenen Vaters zugesicherte Erbteil in barem Vermögen und Naturalien und erhält anstelle dessen von seinem Bruder in barem Geld einhundert Thaler.

Mit diesem und angesparten Gelde und mit einem Bündel voller Habseligkeiten nimmt Joseph Wüllner in den kommenden Wochen Abschied von der Heimat und macht sich auf den Weg in eine ungewisse Zukunft. Die bekanntesten Auswandererhäfen waren damals Bremerhaven und Hamburg. Vermutlich ist Joseph in Hamburg auf einem Überseesegler eingeschifft um von dort seine gefahrvolle und Wochen dauernde Seereise nach Amerika anzutreten. Als „einfacher“ Auswanderer wird er die meiste Zeit im Zwischendeck dieses Schiffes zwischen Einstiegsluke, Bettkästen, Gepäck und Blechgeschirr und nur selten auf dem Oberdeck seine Zeit mit Nichtstun an der frischen Luft verbracht haben.

Über seine Erlebnisse auf dieser Reise, wie Hunger, Durst, Seekrankheit und andere Widrigkeiten, wie Läuse und Maden, ist nichts bekannt. Briefe, die von ihm geschrieben und an die Angehörigen in der Heimat gerichtet waren, könnten Auskunft geben. Sie sind nicht mehr vorhanden.
Sein Schiff läuft noch im Sommer 1850 in den Hafen von New York ein. Noch ist Castle Garden, die erste Einwanderer-Station auf amerikanischen Boden an der Südspitze von Manhattan nicht errichtet. Noch wurde unter freiem Himmel die Formalitäten zur Einreise abgewickelt und diese gestalteten sich für den jungen Einwanderer unerwartet einfach. Der Hafenbeamte fragt nach seinem Namen, Alter, Herkunftsland und dem Berufsstand. Die fremde Sprache ist für Joseph Wüllner das größere Hindernis und er wird sich an Mitreisende gewandt haben, die dieser Sprache mächtig sind.
Er wird sich Reisenden angeschlossen haben, die er auf der Überfahrt kennenlernte und die dasselbe Reiseziel haben: Detroit im Staate Michigan. Nach der Ankunft in New York wird er nicht lange abgewartet und seine Reise zielstrebig fortgesetzt haben. Mit dem Zug ging es nach Buffalo, damals noch eine Tagesreise.  Mit hoher Wahrscheinlichkeit wird er von dort die damals bereits bestehende Schiffahrtslinie über den Eriesee genommen haben. Der Landweg war noch weitestgehend unerschlossen und gefahrvoll. Mit dem Dampfschiff ging die Reise über Erie, Cleveland zum Reiseziel Detroit.

Theresia Bornemann, die jüngste Stiefschwester von Joseph Wüllner mit ihrem Ehemann in Detroit
Theresia Bornemann, die jüngste Stiefschwester von Joseph Wüllner mit ihrem Ehemann in Detroit

Über sein weiteres Schicksal in den kommenden Jahren, über seine Mühen in der neuen Heimat Fuß zu fassen, für sich ein erträgliches und auskommendes Leben zu schaffen und seine Träume letztlich Wirklichkeit werden zu lassen; über diese Zeit ist nichts bekannt. Doch sein Fleiß, seine Mühen und eine gute Portion Glück haben sich für ihn ausgezahlt. Sein Leben in Amerika entwickelt sich schon bald als eine Erfolgsstory. Eigentlich wurden gute Wagenbauer bei der Erschließung des riesigen Landes gebraucht, denn die Siedler benötigten zuverlässige und stabile Wagen und Transportmittel. Doch Joseph Wüllner fand eine Marktlücke, blieb aber dem Werkstoff Holz treu: Er fertigte Möbel und Einrichtungen, denn auch die Nachfrage danach war groß. Bald wurde seine Tischler-Werkstatt zu klein und eine "furniture factory", eine Möbelfabrik, entstand.


Seine Briefe nach Sallinghausen erzählten von seinem erfolgreichen Leben im fernen Amerika, der Gründung einer Familie mit Frau und Kindern. Die Briefe verfehlten bei den Geschwistern daheim nicht ihre Wirkung.

 

Josephs Stiefschwester Theresia Bornemann (geb. am 4.9.1842) lebte als Magd auf dem Hof in Sallinghausen bei ihrem Stiefbruder, dem Hoferben Franz Wüllner und erlag dem Drängen des erfolgreichen Bruders. Nachdem sie vom Hofe anstelle des ihr testamentarisch zugesprochenen Hausrats 29 Thaler ausgezahlt bekam, wagte sie sich auf die beschwerliche Reise. Sie kehrte am 23. August 1865 ihrer Heimat für immer den Rücken. (siehe Aufzeichnungen Franz Wüllner, unten) In Detroit fand sie mit Unterstützung ihres Bruders Arbeit, verheiratete sich und bekam Kinder. Zeitlebens plagte sie das Heimweh und fand manchmal Trost beim Genuss eines alkoholischen Tropfens. Joseph Wüllner berichtete im Dezember 1912 in einem Brief an meinen Großvater, dass Theresia am 3. Oktober 1912 „mit allem von der Kirche wohl versehen gestorben und begraben“ sei. Sie erlag einer Lungenentzündung.


Auch Josephs Stiefbruder Johannes Bornemann (geb. am 25.2.1838) wagte die Ausreise nach Amerika. Er hatte das Schreinerhandwerk erlernt, fand aber keine Arbeit in seinem Beruf. Gegen geringen Lohn arbeitete er deshalb als Knecht bei seinem Bruder auf dem Hof in Sallinghausen bis er am 18. Juni 1863 wieder eine Stelle als Schreinergeselle in Meschede beginnen konnte. Drei Jahre später, Schwester Theresia war bereits ein Jahr fort, fasste auch er den Entschluss zur Auswanderung. Sein Bruder versprach ihm eine sichere Arbeitsstelle und einen erträglichen Lohn für seine Arbeit. Gute Aussichten für seine Zukunft waren vorhanden. Gründe genug sich auf den weiten Weg zu machen.

Aufzeichnungen von Franz Wüllner über Abfindung und Abreise der Schwester Theresia nach Amerika.
Aufzeichnungen von Franz Wüllner über Abfindung und Abreise der Schwester Theresia nach Amerika.
Die Geschwister Johannes und Elisabeth Bornemann, Stiefgeschwister von Joseph
Die Geschwister Johannes und Elisabeth Bornemann, Stiefgeschwister von Joseph

Das Tagebuch von Franz Wüllner, dem Hoferben in Sallinghausen,  beweist, dass auch Johannes sein Erbteil in barem Gelde ausgezahlt bekam und dazu Kleidung für die Reise. Dazu musste ihm die auf dem Hof als Magd lebende Halbschwester Elisabeth Bornemann Geld leihen, denn zwei Abfindungen in kurzer Zeit überforderte sein Vermögen. Sie erhielt ihr Geld sehr bald vollständig zurück.


Am 18. Juli 1866 brach Johannes auf zur Reise nach Amerika. Er war jedoch aus einem anderen Holz geschnitzt und konnte trotz der fürsorglichen Unterstützung seines Stiefbruders in Detroit keinen Fuß fassen. Er fühlte sich dort nicht heimisch und das Heimweh trieb ihn nach wenigen Jahren wieder zurück ins Sauerland. Zusammen mit seiner Schwester Elisabeth, die wie er keinen Lebenspartner fand, verbrachte er nun sein Leben auf dem Hof in Sallinghausen. Bruder Franz Wüllner benötigte die Unterstützung der beiden Stiefgeschwister dringend, da er von einer Krankheit geschwächt nicht allein wirtschaften konnte. Schon während Johannes Abwesenheit in Amerika war er auf die Dienste von Tagelöhnern angewiesen. Johannes Rückkehr war deshalb in seinem Sinn.


Auf dem Hof richtete sich Johannes Bornemann auf der sog. „Schreinerbude“ eine kleine Werkstatt ein. Hier konnte er neben der Arbeit auf dem Hof seinem erlernten Handwerk nachgehen. Für die Kapelle in Sallinghausen fertigte er einen Beichtstuhl und neue Bänke und schenkte diese der Dorfgemeinschaft. Johannes erblindete später, starb jedoch am 12.6.1911 im Alter von 73 Jahren beim Amputieren des linken Fußes im Esloher Krankenhaus.


Auch seine Schwester Elisabeth Bornemann verlor im Alter ihr Augenlicht, wurde aber von meinen Großeltern, den Eheleuten Wilhelm und Maria Feldmann (Heirat am 26.11.1912) bis zu ihrem Tode am 4.11.1917 fürsorglich zuhause gepflegt. Das war auch im Sinne von Joseph Wüllner, der im Dezember 1912 aus dem fernen Amerika schrieb: „Und lass nur Elisabeth keine Not leiden, denn sie hatte auch ihr ganzes Leben noch nichts Gutes auf der Welt gehabt.“


1884: Besuch vom reichen Onkel aus Amerika

Heinrich Heymer aus Estinghausen bei Sundern nach seiner Ankunft in Detroit
Heinrich Heymer aus Estinghausen bei Sundern nach seiner Ankunft in Detroit

Noch einmal hat Joseph Wüllner das Sauerland besucht. Er hatte nun die Zeit und Einkommen für einige Monate eine Reise in die Vergangenheit zu unternehmen. 

 

Die Überfahrt über den Atlantik war nun, im Jahre 1884, an Bord eines der regelmäßig verkehrenden Dampfschiffe in relativ kurzer Zeit möglich. Der Aufenthalt war angenehm, denn Joseph konnte sich eine I. Klasse- Kabine leisten. Welch ein Unterschied war das zur Reise vor 34 Jahren!


Im Gepäck hatte er allerlei Mitbringsel und Briefe, die ihm von anderen aus dem Sauerland ausgereisten Familien für ihre Angehörigen daheim mitgegeben wurden. Einige Monate blieb Joseph in seiner alten Heimat und nutzte die Zeit für den Besuch von alten Bekannten und schloss endlich seine Verwandten auf dem elterlichen Hof bewegt in seine Arme.


Sein Aufenthalt sprach sich in Windeseile herum und auch die Tatsache, dass Joseph Wüllner nicht als Gescheiterter, als „Nobody“, sondern als erfolgreicher Mann in die Heimat kam, blieb nicht unbeachtet. So fand er in dieser Zeit viele Zuhörer, die seinen Worten begeistert lauschten. Bei seinem Besuch im Nachbarhause wurde ihm ein Ansinnen angetragen. Ein Verwandter von dort, Heinrich Heymer aus Estinghausen bei Sundern, war ein junger ungestümer Bauernsohn, dem es zur Auswanderung drängte. Er war bei der Wilddieberei ertappt worden und dieser Teil der Welt, in der er hineingeboren war, wurde ihm zu klein. Die Fürsprache seines Onkels in Sallinghausen an Wüllner war deshalb nicht unbegründet. Dieser stimmte zu und nahm den jungen Heinrich „unter seine Fittiche“ und versprach, diesem in Amerika behilflich zu sein. Noch ein Sauerländer, Johannes, ein 21jähriger Sohn vom Hof Mette in Dorlar, schloss sich Wüllner an, denn ihn erwarteten bereits Verwandte in Michigan. 

Schon bald hieß es Abschied nehmen.

Heinrich Heymer berichtete schon bald in seinem Brief vom 8.2.1885 mit großer Begeisterung von der Überfahrt und der Ankunft in New York, dann von der Weiterreise über Buffalo mit einem kurzen Abstecher über die Niagara-Wasserfälle. Mit dem Schiff ging die Reise über den Lake Erie zum Reiseziel Detroit. „Bei der Landung in Detroit stand ein Bataillon amerikanischer Soldaten am Landungssteg. Eine Militärkapelle spielte zur Ankunft das Deutschland- und Westfalenlied. Wir waren gerührt ob solchen Empfanges und wurden von Wüllner, dem Bataillonskommandeur vorgestellt. Es war sein Sohn, Major Wüllner.“ Und er schreibt weiter: „ Wüllner besitzt beide Häuserreihen einer Straße, die nach ihrem Besitzer benannt ist: „Wuellner Strät“.


Es bleibt nicht bei dieser Mitteilung. Zwischen Heinrich und seinen Verwandten im Sauerland fanden Briefwechsel statt, die zum Teil noch inhaltlich vorhanden sind. Sie offenbaren sein Dasein im fernen Amerika und eine schicksalsvolle Entwicklung in seinem Leben.

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Joseph Wüllner hat seinen Traum vom erfolgreichen Leben in der neuen Welt verwirklichen können. Ein Quäntchen Glück wird ihm behilflich gewesen sein, aber nicht ohne sein Zutun: Mut, Fleiß, Ausdauer, Geschäftssinn und eine Menge Persönlichkeit. Heute zeigt das Foto von ihm (siehe oben) einen Menschen, dem Charakter, Selbstbewusstsein, Stärke und Würde, also Erhabenheit ins Gesicht geschrieben ist.

Er erfreute sich eines langen Lebens im Kreise seiner großen Familie. Noch bis ins hohe Alter hielt er regen Briefkontakt mit den Angehörigen im Sauerland. Sein letzter Brief datiert vom März 1913: „Ihr müsst mich wegen des langen Wartens und schlechten Schreibens entschuldigen, denn die Hände und Augen sind zu alt. Die wurden am 3. März 89 Jahre alt. Ob ihr auch von hier einen Packen Zeitungen erhalten habt? Darin konntet ihr sehen, dass Detroit jetzt ein großes Dorf ist. Im Mai bin ich mal vom Stuhl gefallen, habe den rechten Hüftknochen zerbrochen. Jetzt hört das Herumlaufen auf. Ist auch nicht nötig. Kann doch mit Kindern und Freunden immer sprechen, haben alle Telefone. Entschuldige, es geht nicht mehr. Schreibe mir bald recht viel wieder.“


Kurz darauf starb Joseph Wüllner. Die Verbindungen zur alten Welt sind seitdem für immer zerrissen.

 

Ergänzung: Louise, eine Tochter, hatte in Detroit einen "manufacturer", also einen "Hersteller" geheiratet. Sie führten vermutlich in seiner Abwesenheit die Geschäfte. Eine andere Tochter lebte ebenfalls in Detroit und heiratete dort Mr. Peetz, einen Sauerländer aus dem kleinen Meinkenbracht. Ein Sohn von Joseph war Major (siehe Hinweis im zitierten Brief). Weitere Kenntnisse, z.B.  zur Ehefrau und weitere Kinder bestehen derzeit nicht.


Hintergrund-Bild von meinem Fotofreund  Thomas Haas