Wir haben nichts dazugelernt


Eine Rezension des Buches von Walter Rupp über den Dichter und Kämpfer gegen den  Hexenwahn Friedrich von Spee

Walter Rupp, geboren 1926, ist Schriftsteller und freier Mitarbeiter beim Bayerischen Rundfunk. Nach dem Abitur am humanistischen Gymnasium; Kriegseinsatz, Verwundung und amerikanischer Gefangenschaft trat er 1946 in den Jesuitenorden ein. Nach der Priesterweihe 1957 und dem Abschluss des Studiums der Philosophie und Theologie 1960 wurde er Jugend- und Studentenseelsorger. Ab 1974 bis 2004 war er Akademikerseelsorger und Leiter des Akademiker-Centrums München. Zahlreiche Veröffentlichungen tragen seine Handschrift, wie die im Jahre 1986 (2011 in 3. Auflage) erschiene Biografie über den Dichter und Kämpfer gegen den Hexenwahn Friedrich von Spee (1591-1635). 

 

Der Autor ist wie sein Protagonist dem Orden der Jesuiten angehörig. Er schildert in seinem Buch erstmals einer breiteren Öffentlichkeit das Lebenswerk des Priesters Friedrich von Spee, der sich als Anwalt der Entrechteten und Armen verstand und den Mut hatte, gegen den Hexenwahn im späten Mittelalter anzukämpfen. Als Verfasser seiner Mahnschrift „Cautio criminalis“ und deren Veröffentlichung war von Spee der entscheidende Wegbereiter dafür, dass der Hexenglaube als Wahnidee irgendwann in den Köpfen der Menschen verschwand. Erst im Jahre 1775 fand die letzte Hinrichtung in Deutschland wegen „erwiesener Teufelsbuhlschaft“ statt. 

Friedrich von Spee kam nicht umhin, sich auch mit denen anzulegen, die sich als Hüter von Sitte, Recht und Ordnung fühlten. Er übte Kritik an den Gerichten und den Trägern der kirchlichen und staatlichen Gewalt und an dem menschenverachtenden Verhalten der Inquisitoren und Richter, mächtige Herren, die sich ihrer Macht bewusst waren. 

Den Richtern war vorgeschrieben, schon aufgrund einer Denunziation sofort einzuschreiten und den als Hexen oder Zauberern beschuldigten Opfern durch harte Folter Geständnisse zu erzwingen, immer unter dem Vorwand, der Wahrheit gerecht zu sein. Die Unwissenheit der Menschen, der Neid und die Missgunst, förderte die Verleumdungen und schaffte ein bedrückendes Klima der Angst und des Misstrauens, das sich überall im Volk verbreitete. Jeder fühlte sich von jedem bedroht und Nachbarn, die sich verfeindet hatten, bezichtigten sich gegenseitig der Hexerei und machten den anderen schuldig für allerlei Missstände. 

 

Der Schriftsteller Walter Rupp führt den Leser mit seinem Buch in eine finstere Zeit, dem Spätmittelalter. Doch sein Nachwort führt dem Leser klar vor Augen, dass unsere Welt in unseren aktuellen Tagen nicht viel heller geworden und menschliche Abgründe nach wie vor Bestand haben. Er verfasste seinen Text vor fast vierzig Jahren, ohne Kenntnis der Entwicklungen der letzten drei Jahre, in der die Corona-Pandemie obskure Verschwörungsideologien in der Querdenker-Scene offenbaren. Und seit wenigen Tagen schürt der Überfall Putins auf die Ukraine erneut Kriegsangst in Europa und macht bewusst, welch großes Gut der Frieden ist, der uns so selbstverständlich erschien.  

Nachwort (Auszug aus dem Buch von Walter Rupp):

 

„Dass sich die Menschheitsgeschichte nur aufwärts bewegt, dafür fehlen die Beweise. 

Dass die Menschen im Laufe der Jahrhunderte menschlicher und reifer werden, blieb bis jetzt ein unerfüllter Wunsch. Die nüchterne Betrachtung der Geschichte rechtfertigt eher die These, dass die Generationen kaum etwas voneinander lernen und mit konstanter Regelmäßigkeit in die immer gleichen Fehler tappen. Es gibt noch viel Aufklärungsarbeit zu leisten!

Unsere Zeit sollte darum nicht vom „finsteren“ Mittelalter sprechen und mehr verachtungsvoll auf die Vergangenheit heruntersehen. Es wurde noch nicht sehr hell! Wir Heutigen haben trotz allen Fortschritts keinen Grund zu glauben, wir wären die hochstehenderen und besseren Menschen. 

 

- Noch gibt es die Dämonenfurcht. Der Mensch fühlt sich von bösen Mächten umstellt. Angst geht um vor eingebildeten und wirklichen Gefahren: vor technischen Entwicklungen, der Überbevölkerung, vor Umweltkatastrophen oder einer atomaren Auseinandersetzung. 

 

- Noch gibt es Wahnideen. Ideologen wollen die Völker glauben machen, sie wüssten das Rezept, wie man die paradiesische Gesellschaft schafft.

 

- Noch gibt es die Leichtgläubigkeit, die naive Glaubensbereitschaft falschen Propheten gegenüber, und die Neigung, sich dahergelaufenen Scharlatanen auszuliefern. Wissenschaft und Bildung haben dagegen bisher wenig ausgerichtet.

 

- Noch gibt es Denunzianten, die jeden an den Pranger stellen, der von der Linie der Partei abweicht, der sich der öffentlichen Meinung widersetzt, nicht denkt wie alle denken und sich nicht verhalten will, wie „man“ sich verhält. 

 

- Noch gibt es Folterwerkzeuge, mit deren Hilfe man jedes Geständnis erzwingen und jedes Opfer physisch oder psychisch zugrunde richten kann. 

 

- Noch gibt es Inquisitoren, die sich im alleinigen Besitz der Wahrheit dünken; die Menschen in Gute und in Böse scheiden und meinen, sie könnten, wenn sie Menschen töten, das Böse aus der Welt vertreiben.

 

Es ist an der Zeit, etwas gegen die geistige Luftverschmutzung zu tun!

Auch die moderne Welt ist noch nicht gut. Und der moderne Mensch ist noch nicht frei von Irrtümern und bösen Neigungen. Jede Zeit braucht darum Menschen, die wie Friedrich von Spee für die Wahrheit eintreten; die gegen die Hoffnungslosigkeit angehen; die nicht dulden, dass Menschen entrechtet oder ausgestoßen werden; die den Machthabern sagen, dass auch sie nur Menschen sind; und die vor allem das Gebot der Nächstenliebe leben.“