Ursula Padberg: Ein Leben für die Europäische Idee


Am 17. August 2021 starb die Esloherin Frau Ursula Padberg im hohen Alter von 96 Jahren. Ihre letzte Lebenszeit verbrachte sie im Störmanns Hof. „Wenn die Kraft zu Ende geht, ist Erlösung Gnade“ (Spruch auf ihrer Todesanzeige). Diese Aussage bezeichnet zutreffend ihre Lebenssituation in ihren letzten Monaten, nachdem ihre Schwester Magdalene Padberg ihr 2019 im Tode vorausging. Die Geschwister verbrachten in ihrem Haus an Eslohes Hauptstraße gemeinsam den Lebensabend. Auch wenn beide in ihrer Art sehr unterschiedlich waren, so einte sie die Liebe zur Kunst, der Musik und Literatur. Lange Jahre pflegten sie eine Tradition. Sie reisten gemeinsam für eine Woche nach Berlin und besuchten verschiedene Museen und Kultureinrichtungen, literarische und musikalische Veranstaltungen. Konzerte der Berliner Philharmoniker standen dabei auf ihrem Fokus. 

Ihr soziales Engagement

Ursula Padberg: 2021 gestorben
Ursula Padberg: 2021 gestorben

Anders wie ihre Schwester Dr. Magdalene, die als ausgebildete Historikerin durch verschiedene Buchveröffentlichungen in ihrer Heimat Bekanntheit erlangte, trat Ursula Padberg in der öffentlichen Wahrnehmung weniger aktiv auf. Dabei widmete sich diese doch den sozialen Belangen in ihrem Heimatort Eslohe. Schwerpunkt wurde für sie die Betreuung und Begleitung von aus dem Ausland stammenden Mitbewohnern, den Fremdarbeitern und Flüchtlingen. Sie erkannte als eine Grundvoraussetzung der Integration das Beherrschen der deutschen Sprache. Ursula Padberg hatte großen Anteil daran, dass in Eslohe gestrandete ausländische Familienmitglieder die Sprache ihres Gastgeberlandes erlernten, indem sie selbst Deutsch-Unterricht erteilte. 

 

Ihr Einsatz war still und blieb deshalb für die Esloher Bevölkerung weitestgehend im Verborgenen. Wer sie kannte, erinnert sich an ihr stets adrettes und freundliches Auftreten. Kaum einer hatte Kenntnis von ihrem beruflichen Werdegang, der sich überwiegend in dem kleinen Nachbarland, dem Großherzogtum Luxemburg vollzog. 

 

 

Abschied von Eslohe 

 

Ursula Padberg, am 22. April 1925 in Eslohe geboren, verlebte hier ihre Kindheit, die von den Ereignissen vor Beginn und während des Zweiten Weltkrieges geprägt war. Nach Kriegsende 1945 wurde es für sie schwierig, im erreichbaren Umfeld ihren Wunsch zu verwirklichen, ein Studium der Philologie zu beginnen. Viele Universitäten waren durch Bombardierungen zerstört und befanden sich in dieser Zeit erst im Wiederaufbau. Es gelang ihr jedoch die Immatrikulation an der Universität München mit dem Schwerpunkt für die französische Sprache und Literaturwissenschaft. 

 

Ursulas erfolgreicher Abschluss der Studien in München fiel in die Zeit in der im westlichen Europa die Erkenntnis reifte, dass ein Zusammenschluss der Länder zu einer Gemeinschaft wirtschaftlicher Interessen Sinn mache. Die Idee, eine „Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl“ zu bilden, ging auf Frankreich zurück (1). Am 18. April 1951 unterschrieben die sechs Mitgliedsstaaten Frankreich, Italien, Belgien, Niederlande, Luxemburg und die Bundesrepublik Deutschland den Vertrag. Sitz der Gemeinschaft, die als „Montanunion“ besser bekannt war und am 23.7.1952 in Kraft trat, wurde Luxemburg. Das war ein wichtiger Schritt für das spätere Europa und den europäischen Gedanken. Voraussetzung für das Gelingen des Vertrages war auch die deutsch-französische Aussöhnung. 

Die deutsch-französische Freundschaft war ihr Anliegen

Ursula Padberg (Foto um 1950)
Ursula Padberg (Foto um 1950)

Ursula Padberg, von guten Freunden als „frankophil“ bezeichnet, bewarb sich in Luxemburg 1953 mit Erfolg als Dolmetscherin für die französische Sprache. Sie wurde damit zur Zeitzeugin vom Anfang der Gemeinschaft, die in dieser Zeit noch in den Kinderschuhen steckte. Mit Begeisterung konnte sie nun ihren Beitrag bei der Umsetzung einer großen europäischen Idee leisten, denn ihre Arbeit als Dolmetscherin war unabdinglich. Sie und ihre Kollegen und Kolleginnen spielten eine wichtige Rolle im politischen Geschehen. Im europäischen Sprachenwirrwarr (in den Anfängen nur Deutsch, Französisch, Italienisch und Niederländisch) kann keine Sitzung geführt und keine Rede gehalten werden, ohne dass in andere Sprachen übersetzt wird. Dolmetscher, damals vorwiegend weiblichen Geschlechts, waren damals „die absoluten Stars“ (so erzählt die Freundin und eine Nachfolgerin Ursula Padbergs im Amt, Frau Kristin Pennera aus Luxemburg). 

 

Die an der Montanunion beteiligten sechs Länder gründeten 1957 in Rom die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG). Zum Präsidenten der ersten Kommission der EWG wurde der deutsche Politiker Walter Hallstein gewählt. Er hatte maßgeblichen Anteil an den Vertragsverhandlungen gehabt. Es folgte eine schwierige Zeit der Konsolidierung (Verfestigung) unter den Ländern. Ende 1959 wurde der sog. „Hallstein-Plan“ veröffentlicht, der einen stärkeren gemeinsamen Markt der EWG-Länder vorsah. Ziel war auch die Liberalisierung des Außenhandels. 

 

 

Nahe am historischen und politischen Geschehen

Ihre Freunde nannten sie "Paddy"
Ihre Freunde nannten sie "Paddy"

Hallsteins Vorsitz endete 1967 nach Jahren zäher Diskussionen und Verhandlungen. Es war ein ständiges politisches Ringen um eine gemeinsame Haltung der beteiligten Länder. Ursula Padberg, mittlerweile zur Chefin der „deutschen Kabine“ im Parlament aufgestiegen, hatte Walter Hallstein in diesen Jahren bei den Verhandlungen begleitet und erhielt somit „aus erster Reihe“ Kenntnis über das politische Geschehen und den Entwicklungen auf europäischer Ebene. Ihre entschlossene Art, Ideen durchzusetzen, hatte ihr bei Mitarbeitern und Politikern gleichermaßen Achtung und Anerkennung verschafft. Das hinderte nicht daran, dass aus ihrem beruflichen Umfeld Freundschaften entstanden, die ein Leben lang hielten. „Paddy“, so wurde sie von ihnen genannt. Obwohl sie sich über die Jahre in Luxemburg heimisch fühlte, sie dort ein großer Bekanntenkreis umgab, kulturelle und sportliche Aktivitäten (Golf und Tennis) möglich waren, gab sie ihr Vorhaben nicht auf: Zurück ins Sauerland, zurück nach Eslohe! 

 

 

Verbundenheit mit ihrer Heimat

 

Die Verbindungen in die Heimat, den Kontakt mit den Eslohern, den Angehörigen ihrer Familie und die Anteilnahme an deren Schicksalen, hatte Ursula Padberg nie gebrochen. So kam es im Frühjahr 1979, wenige Monate vor der ersten Direktwahl der Bürger zum Europäischen Parlament, zu einer Reise von fast fünfzig Mitgliedern der Kolpingfamilie Eslohe nach Luxemburg. Sie folgten einer Einladung von Ursula Padberg, die sie dort im Europa-Parlament empfing und reichlich Zeit für ihre Gäste mitbrachte. Dabei war ihre Intension eindeutig: Sie wollte ihre Gäste von der Wichtigkeit der anstehenden Parlamentswahl überzeugen. Dass die Bundesrepublik Deutschland (damals noch nicht vereint) nur als Teil der Europäischen Union dauerhaft ein Hort der Demokratie und der politischen Stabilität und Sicherheit sein könne, war ihre Überzeugung und Antrieb zugleich. Ihre Gastfreundlichkeit ist älteren Kolpingbrüdern und -schwestern noch heute gut in Erinnerung. 

Rückkehr nach Eslohe

Die Schwester: Dr. Magdalene Padberg (Foto: um 1950)
Die Schwester: Dr. Magdalene Padberg (Foto: um 1950)

Im Jahre 1984 trat Ursula Padberg mit fast sechzig Jahren ihren Altersruhestand an und kehrte nach Eslohe zurück. Dennoch hielt sie über viele Jahre engen Kontakt zu ihrem Bekannten- und Freundeskreis in Luxemburg. Einige besuchten „Paddy“ in Eslohe und lernten so Eslohe und das Sauerland kennen. 

Nach ihrer Rückkehr in die Heimat fand sie sehr bald ihren Platz im Dorfleben. Zum 70jährigen Jubiläum der Katholischen Frauengemeinschaft in Eslohe war Ursula Padberg 1986 aktiv an der Ausarbeitung der Festschrift beteiligt. Bei dieser Arbeit stieß sie auf die in Eslohe in Vergessenheit geratene Amtszeit des Pfarrer Dr. Philipp Hille, die kurz und schwierig war. Die Neugierde führte sie zu einer intensiven Forschungsarbeit, deren Ergebnis bereits ein Jahr später in einem kleinen Büchlein im Eigenverlag der Pfarrgemeinde öffentlich wurde. (2) 

 

Der Tod von Ursula Padberg hat viele Menschen traurig gestimmt, jedoch die Erinnerung an eine starke, wie liebenswürdige Frau, lebendig gemacht. 

 

(C) Wilhelm Feldmann 2021

Der Aufsatz wurde für die Weihnachtsausgabe 2021 des "Esselboten" geschrieben. 

Ich bedanke mich bei Frau Ingeborg Gaspard aus Klosters (Schweiz) und Frau Kristin Pennera aus Luxemburg für ihre Bemühungen und Auskünfte. Ohne diese Hilfe wäre diese Erinnerung an die Verstorbene nicht zustande gekommen. 

 

Ergänzungen:

(1) Am 9. Mai 1950 machte der französische Außenminister Robert Schuman, als Deutscher geboren, in Luxemburg eine Erklärung, die als politische Gründungsakte der gegenwärtigen Union bekannt wurde. Ziel dieses Schrittes war, die Gesamtheit der franz.-deutschen Kohle- und Stahlproduktion einer gemeinsamen „hohen Behörde“ zu unterstellen, einer Organisation, die den anderen europäischen Ländern zum Beitritt offenstand. Damit sollte die Herstellung von Waffen unmöglich gemacht werden. 

(2) Zur Erinnerung an die Verstorbene erscheint dazu ein Aufsatz von Peter Bürger in den Esloher Museumsnachrichten 2021