Winter im Dorf


 Es ist bitterkalt. Die Sonne steht tief. Noch einige Strahlen kämpfen sich durch den trüben Himmel. Vergebens, eine eisige Frostnacht kündigt sich an. Ein Tag im Winter dämmert in den Abend hinein. Ich schreite durch mein Dorf. Allein. Stille überall, nur durchdrungen von Geräuschen der Tiere in den Ställen und dem leisen Murmeln des Baches. Ein Dorf liegt im Winterschlaf.

An den qualmenden Schornsteinen, weiß-graue Fontänen, erkenne ich Leben in den Häusern. Warme Stuben und deren Fenster, erleuchtet im Licht der Elektrizität. Kein Rufen, kein Reden, das Dorf scheint erstarrt. Hinter den Fassaden pulsiert das Leben nun gemächlicher, stiller, in sich zurückgezogen. Es ist Winterzeit. Irgendwie an diesen kalten Tagen rollen sich die Menschen ein wie Igel im tiefen Schlaf.

 

Vorbei sind sie, die Tage des Sommers, nicht enden wollende, hell und warm. Erinnerungen an Begegnungen vor der Türe, auf der Bank vorm Haus, inmitten von Grün und blühenden Pflanzen.

Gespräche unter Nachbarn, heiter, mal ernst. Man kennt sich, man lebt im Dorf miteinander, so oder so. Man sieht sich, grüßt sich, denkt nach über den Anderen, spricht, über sein Tun und über sein Lassen.

Nun ist es anders. Es ist eingefroren das Miteinander. Denn Leben im Dorf bedeutet nicht mehr Arbeiten im Dorf, so wie damals, als noch die Bauern, die Handwerker Hand in Hand gingen, Nachbarn sich durchs Leben trugen.

Es hat geschneit, lautlos über Nacht. Ich stehe am Fenster und schaue hinein in das Morgengrau. Eisblumen am Fenster? Gedanken an damals. Meine Kinder kennen sie nicht. Isolierverglastes Wohnen, isoliert wie das Winterleben im Dorf. Früh hat der Schneepflug seine Runden gefahren. Salz und Matsch bedeckt den Asphalt. Mich schaudert, sehne mich nach dem Morgenglühen der Sommersonne. Noch ist er dunkel, der Tag frühmorgens. Jeder macht sich auf, lärmend mit Motorengeräusch, Kinderlärm am Schulbus. Dann wieder Ruhe, bis der Postbote kommt, der Bäcker, die Müllabfuhr. Der Tag läuft dahin, die Alten am Ofen, vorm Fernseher. Das Dorf wie leergefegt, erst am frühen Abend füllen sich die Häuser, in Dunkelheit gehüllt, undurchsichtig. Das Leben der Nachbarn bleibt verborgen, Tage, gar Wochen. Nebeneinander.

Heute ist Sonntag im Dorf, wolkenlos ist die Welt in blau und weiß. Ein Tag zum Erwachen, Aufwachen, Durchatmen. Das Leben scheint erweckt für einen Moment. Menschen im Dorf, schneeschippend. Die Kinder machen sich auf. Am Hang lässt es sich gut rodeln, Lachen und Scherzen, Schneebälle fliegen. So war es immer, dieses eine Stück vom Dorfleben. Nicht alles hat sich verändert. Der Tag neigt sich viel zu früh. Müde und frierend kehren sie heim, ein Schlitten lehnt achtlos an der Wand. Nintendo und PC sind jetzt in Kinderhand. Gebannte Blicke in eine künstliche Welt, die Wirklichkeit bleibt draußen. Morgen wird wieder Alltag sein.

 

Mein Dorf wartet auf sein Frühlingserwachen.