Gegen das Vergessen einer Handwerkskunst


Der Besen- und Bürstenmacher Ferdinand Rentmeister

Ferdinand Rentmeister aus Sallinghausen, Jahrgang 1933, beherrscht sie, die „Wissenschaft vom Besen- und Bürstenmachen“
Seit wohl zwanzig Jahren lebt er in meiner Nachbarschaft. Jeder kennt ihn im Dorf und jeder weiß von seiner Leidenschaft, dem Besen- und Bürstenmachen. Ferdi Rentmeister hält heute die Kenntnisse über diese alte Handwerkskunst wach.

Ferdinand Rentmeister bei der Arbeit. Das Foto entstand auf einem Markt, dort wo er nicht nur seine Waren anbietet, auch sein Handwerk vorstellt.
Ferdinand Rentmeister bei der Arbeit. Das Foto entstand auf einem Markt, dort wo er nicht nur seine Waren anbietet, auch sein Handwerk vorstellt.

Ich besuche ihn in seiner kleinen Werkstatt, die er im Keller des Hauses eingerichtet hat. Mit Erstaunen muss ich feststellen, wie wenige und welch einfache Werkzeuge er benötigt um aus Bürstenhölzer, meist aus Buche, und verschiedensten Naturmaterialien Besen und Bürsten für den unterschiedlichsten Einsatz  fertigt. Sozusagen für jeden Zweck und Dreck.
Dort inmitten seiner Utensilien erzählt mir Ferdi mit Freude was ihn mit diesem alten Handwerk so verbindet und er geht weit zurück in die Geschichte und zu den Wurzeln seiner Familie.


„Carl Rentmeister, Bürsten- und Pinselfabrik“

 

So hieß die Firma die sein Großvater in Unna gründete und die auch ein Onkel und Ferdinands Vater fast bis zu dessen Tode 1969 weiter führte. Er erinnert sich und zwinkert mit einem Auge, dass stets die ganze Familie eingespannt war und auch die Kinder mithelfen „durften“.
Die in Unna hergestellte „lange und kurze“ Ware wurde selbst an den Mann und an die Frau gebracht. Ferdi zeigt mir ein Foto auf dem sein Vater mit einer Münsterländer Kiepe auf dem Rücken, vollgestopft und schwer bepackt mit den verschiedenartigen Bürstenwaren und gestützt auf einem umgedrehten Besen zu sehen ist. Mit dem Zug ging damals die Fahrt hinein bis ins Sauerland. Und dann musste zu Fuß die weitere Wegstrecke hin zu den Kunden gegangen werden. Ferdi erinnert sich daran, dass er manchmal den Vater bei seinen Verkaufsreisen begleiten durfte. Bei jedem Wetter mit der schweren Kiepe auf dem Rücken war der Tag oft beschwerlich. „Hausieren“, also von Haus zu Haus gehen, brauchten sie nicht. Es bestand eine feste Kundschaft, zu denen vorrangig Bauern, Bäckereien, Hotels und Firmen gehörten die einen ständigen Bedarf an neuer Ware hatten. Die handgefertigten Besen und Bürsten waren langlebig und deshalb bei den Kunden geschätzt. Und deshalb verließen sie sich gern auf das geregelte Erscheinen der Rentmeisters und luden diese nicht selten zu einem guten Frühstück ein, boten einen Platz am Mittagstisch oder eine Übernachtungsmöglichkeit an.


In der Nachkriegszeit wurde oft mit Tauschware gehandelt. Das Geld war knapp und man zahlte mit Naturalien. Dann war das untere Fach in der Kiepe auf dem Heimweg randvoll mit Eier, Speck und Schinken, eingetauscht gegen Besen und Bürsten. In dieser Zeit kam es aber auch vor, dass alte gebrauchte Bürstenhölzer wieder mitgegeben wurden. Mit neuen Borsten versehen konnten sie wieder erneut zum Einsatz kommen.


Verarbeitet wurden seit jeher  nur Naturprodukte, die für die verschiedensten Einsatzzwecke der Besen und Bürsten speziell geeignet und langlebig sind.  Ziegenhaar ist für Staubbüsten, Schweifhaare vom Pferd (Rosshaar) für Scheuerbürsten und Schweineborsten für Pinsel besonders geeignet. Diese wurden vom Metzger erstanden und anschließend gereinigt, geglättet und nach Bedarf zugeschnitten. Pflanzenfasern sind besonders robust und werden für die Herstellung von Besen verwendet. Sie kommen überwiegend aus dem Ausland: Arenga aus Indonesien, Behia aus Brasilien, Bassine aus Indien, Kokos aus Sri Lanka, Fibre, die Blattfaser der Agave, aus Mexiko, Piassava aus Palmenblättern in Westafrika und Reisstroh aus Osteuropa.
Die Kenntnis über die besondere Eignung der verschiedenen Materialien ist schon sehr speziell, die Fertigkeit der Herstellung eine andere. Besonders schwierig ist heute die Beschaffung der Materialien, den Hölzern, Haaren, Borsten und Fasern. Dafür gibt es nur wenige Bezugsquellen. Vieles ist auch unbezahlbar, so wie das Dachshaar. Es wurde früher bevorzugt für die Herstellung von Rasierpinseln verwendet und ist jetzt nur „mit Gold aufzuwiegen“.

Heute werden stattdessen Kunstfasern bei der maschinellen Herstellung eingesetzt. Handgefertigte Waren sind wegen der hohen Fertigungskosten nicht mehr konkurrenzfähig. Und so existiert in Unna seit Ende der sechziger Jahre kein Bürstenmacher mehr. Auch deshalb hat Ferdi diesen Beruf nicht weitergeführt und stattdessen zum Einzelhandelskaufmann umgeschult.


Seine Nichte überredete ihn vor einigen Jahren dazu im Unterricht in ihrer Schule die Herstellung eines Besens in alter Weise zu zeigen. Das hat ihm Spaß bereitet und das Interesse an der Besen- und Bürstenmacherei wieder erweckt. Es ist für ihn seitdem eine Passion diese Handwerkskunst, die der maschinellen Produktion weichen musste, in der Öffentlichkeit wach zu halten. Sein Prinzip ist, nur natürliche Materialien zu verwenden die er zu wertgeschätzten Einzelstücken verarbeitet.


Ferdinand Rentmeister ist ein gern gesehener Gast auf historischen Märkten und Ausstellungen wo er Interesse sowohl für dieses Handwerk wie an seinen Waren weckt.


Alle Fotos auf dieser Seite sind von Heinz Fuchs  für diesen Bericht zur Verfügung gestellt worden. Dieser erschien 2015 im WOLL Magazin.