Ein Hof erfährt seine Endlichkeit


#  Die Geschichte vom Schultenhof in Sallinghausen

#  Ein Gedicht von änne Nöcker

#  Der Jesuitenpater Heinrich Koch

Nebenan im Dorf klafft eine große Leere. Wir haben uns verabschiedet von einem gewohnten Bild, denn seit der Karwoche (2018) gibt es den Schultenhof in Sallinghausen nicht mehr. Ein Hof, der über Jahrhunderte seinen Bewohnern Heimat, ein Zuhause, Trutzburg und Lebensmittelpunkt war, ist nun ausgelöscht. Vor fast einem halben Jahrtausend, im Jahre 1536, wurde der Schultenhof in Sallinghausen erstmals erwähnt. Doch jetzt sollte er  keine Zukunft mehr haben, nach einer nachweislich  wechselvollen Geschichte. 
Es ist ein tragischer Verlauf dieser Geschichte, der bereits seit Jahrzehnten seinen Anfang nahm und nun mit dem plötzlichen Tod des letzten Eigentümers besiegelt wurde. Danach standen der Verkauf an ortfremde Geldanleger an und damit der Abriss sämtlicher Gebäude auf der ehemaligen Hofstelle, die einst von stolzen Besitzern errichtet wurde.


Nun stehe ich kopfschüttelnd auf einer planierten Fläche, suche den Standort der einzelnen Gebäude. Es ist, als ob auf diesem Stückchen Erde niemals Leben stattgefunden hätte, sich nie menschliche Schicksale vollzogen hätten. Wie schnelllebig ist unsere Zeit und wie rasch wird im wahrsten Sinne Gras darüber gewachsen sein und alles in Vergessenheit geraten. 


Ich fühle mich als Chronist verpflichtet, hier entgegenzuwirken. Denn ich habe die Möglichkeit, Geschichten zu erzählen und Interesse zu wecken mit meiner Schrift und den Fotos aus alter Zeit.  Den Menschen zur Ehre, die einst hier ihre Spuren hinterließen, möchte ich damit entgegenwirken, dass diese Spuren nicht vollends verwischen und verblassen. Das alleine ist es wert, zurückzuschauen in die Vergangenheit und damit die Erinnerung an den Schultenhof in Sallinghausen wachzuhalten. 

Das älteste Foto vom Schultenhof in Sallinghausen (um 1910/1915)
Das älteste Foto vom Schultenhof in Sallinghausen (um 1910/1915)

Die Geschichte des Schultenhofes in Sallinghausen ist in einem PDF-Dokument angehängt. Ergänzende Beiträge zu dieser Hofgeschichte finden sich auf diesen Seiten meiner Homepage: 

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(C) Wilhelm Feldmann



Ein Gedicht von Änne Nöcker

Zur Einweihung des Hofkreuzes auf dem Schultenhof in Sallinghausen am 27. April 1948 hat Änne Nöcker, geb. Poggel-Schütte, aus Eslohe ein Gedicht verfasst. Mit ihrem Tod im Dezember 1993 verstummte „Eslohes plattdeutsche Stimme“. Sie war Mitbegründerin des Plattdeutschen Arbeitskreises und wurde 1988 wegen ihrer Verdienste um das Plattdeutsche mit der Ehrenmedaille der Gemeinde ausgezeichnet. Sie begann schon früh mit dem Schreiben von Geschichten und Gedichten über ihr Heimatdorf in Mundart. Später gab sie Unterricht über die plattdeutsche Sprache in den Schulen um ihr Wissen darüber an die junge Generation weiterzugeben. Sie starb im Alter von 87 Jahren.

Hundert Jahre steht unser Haus,

viele Menschen gingen ein und aus. 

Gar wechselvoll war diese Zeit,

wie Sonne und Regen kam Freude und Leid. 

 

Schon viele hundert Jahre

besteht das Schulten Gut,

wohl wechselte der Name,

nie aber Geist und Blut. 

 

Echte Sauerländer

waren sie von alters her,

sie pflegten gute Sitte

in Redlichkeit und Ehr'.

 

Sie hüteten den Glauben

mannhaft, treu und rein,

den Ehrenplatz im Hause

nahm stets der Herrgott ein. 

 

Sie stellten Saat und Ackerland

und das ganze Gut,

Keller, Scheunen und den Stall

in des Herrgotts Hut. 

 

So war auch stets auf unserem Hof

sichtbar Gottes Walten,

und auch im rauen Kriegsgewühl

blieb unser Haus erhalten.

 

 Zum Dank dafür erheben wir

hier unseren höchsten Schatz

und geben dem Kreuze unseres Herrn

den allerersten Platz. 

 

So hat's Großvater schon gewünscht,

so soll es immer sein. 

Gott, segne für immer dieses Haus

und alle, die treten ein. 

 

Gott , segne von dieser Stätte aus

den ganzen Bauernstand,

Sallinghausen, unser Dorf,

das schöne Sauerland!

 

Halt fern von uns Not und Gefahr.

Ewige Treu' wir dir loben.

Lass nie wieder wütendes Kriegsgescheh'n

dies stilles Tal durchtoben. 

 

Wir wollen helfen mit Arbeit und Fleiß

zu bannen die Hungersnot.

Mit offenen Händen wollen wir

mit der Armut brechen das Brot!

Änne Nöcker
Änne Nöcker


Der Jesuitenpater Heinrich Koch


Mit der Person des Heinrich Koch, der am 25. Mai des Jahres 1870 in Meschede geboren wurde, wird heute kaum einer etwas in Verbindung bringen. Vermerke des Heinrich Heymer, die dieser auf zwei sehr alten, und deshalb vergilbten Aufnahmen hinterließ, fand ich nach Auflösung des benachbarten Schultenhofes in Sallinghausen bei den Hinterlassenschaften der Familie Heymer. 

Das eindeutig Ältere der beiden Fotos deutet auf die Zeit um 1897 hin. Die Aufnahme zeigt den Hofeigentümer Eberhard Heymer, der ein Jagdgewehr schultert, und seine Gattin Elisabeth, geborene Schulte aus Eslohe und ihr Kind namens Threschen, welches später auf tragische Weise verunglückte und verstarb. Dazu gesellte sich die Tante des Hofeigentümers, die verwitwete Bernhardine Eickhoff. Deren Ehe mit Eberhard Eickhoff blieb kinderlos, sodass sie Eberhard Heymer, Patenkind ihres verstorbenen Ehemannes, auf den Schultenhof nahmen und als Hoferben einsetzten. Zur weiteren Person auf dem Bild wurde von Heinrich Heymer mitgeteilt, dass dies sein Patenonkel, und zwar der Pater Heinrich Koch sei. 

Auf der zweiten Aufnahme, die auf das Jahr 1907 datiert wurde, sehen wir einen Motorwagen. Dieser wird von einem Chauffeur gesteuert. Im Fonds sitzen zwei Herren mit Hut. Der rechte wird von Heinrich Heymer als Graf von Hönsbrück genannt, vermutlich der Besitzer dieser motorisierten Kutsche und links erkennt man die Person des Heinrich Koch wieder. Heinrich Heymer gibt aber auch dazu nähere Auskunft. Danach sei sein Patenonkel Jesuitenpater gewesen. Der Namenszusatz S.J. bedeutet „Societas Jesu“ und bezeichnet den Orden der Jesuiten. Heinrich Koch trug einen Dr.-Titel, war Universitätsprofessor und schien sich in illustren Kreisen zu bewegen. 

 

Ein weiterer Hinweis lässt Fragen aufkommen: Heinrich Koch sei ein „Pflegebruder“ seines Vaters gewesen. Das lässt vermuten, dass zwischen den Familien Koch in Meschede und Eickhoff bzw. Heymer in Sallinghausen verwandtschaftlichen Beziehungen bestanden. Eine uns heute nicht bekannte familiäre Situation muss dazu geführt haben, dass Heinrich Koch in jungen Jahren auf dem Schultenhof sein Zuhause fand und mit Eberhard Heymer gemeinsame Jahre verbrachte.

 

Auch Pfarrer Johannes Dornseiffer berichtete in seiner Reihe „Kirchengeschichtliches aus dem Sauerlande“ für die Mescheder Zeitung, dass der Jesuitenpater Heinrich Koch in Meschede geboren und zeitweise in Sallinghausen bei Eslohe aufgewachsen sei. 


Der Orden der Jesuiten unterschied sich von anderen Orden durch den Verzicht auf ein bestimmtes Ordenskleid und auf das gemeinsame Chorgebet. Auch lebten sie nicht abgeschieden von der Welt hinter dicken Klostermauern. Sie gingen unter die Menschen, denn die wollten sie mit ihrer Lehre erreichen. Ihre Hauptaufgabe sahen die Jesuiten in der Verkündigung der katholischen Lehre, die sie von der protestantischen Reformation bedroht sahen. Das erklärt auch, warum Heinrich Koch als Jesuit und Professor in Universitäten lehrte und auch literarische Beiträge hinterließ. 

Im Jahre 1905 wurde in den „Stimmen aus Maria Laach“ seine Abhandlung über „Die Gleichstellung von Arbeitgebern und Arbeitnehmern in der Großindustrie“ veröffentlicht. Und auch thematisch zu den Zielen der Jesuiten passend, steht sein Name über „einer außerordentlich fleißigen Arbeit“: „Die Jesuiten in Xanten (1609-1793)“ – Beiträge zur Geschichte der Gegenreformation am unteren linken Niederrhein, erschienen in Würzburg im Jahre 1937. Weitere Hinweise zum Leben und Wirken des Jesuitenpaters Heinrich Koch sind mir nicht bekannt geworden.  


Ansicht auf das Dorf Sallinghausen und dem Schultenhof vom Salweybach aus gesehen. Gemalt von einem unbekannten Künstler um 1970. Es befindet sich im Besitz von Brigitta Nölting, geb. Heymer, wohnhaft in Bottrop. Sie wurde als jüngstes Kind der Eheleute Heinrich und Anna HSeymer auf dem Schultenhof geboren. Brigitte genehmigte eine Ablichtung und die Benutzung für diese Homepage.