Ein Knöllchen wegen Raserei


Über den Siegeszug des Automobils

Vorausgeschickt:

Mit der Erfindung des Motorwagens  im Jahre 1885 durch den Ingenieur Carl Friedrich Benz ist die Welt in der wir leben, nicht mehr so wie vorher. Die Mobilität hatte Räder bekommen, die mit Benzin anstelle Muskelkraft betriebenen wurden. Rund um das Automobil ranken sich viele Geschichten. Besonders in ihren Anfängen ergaben sich Anekdoten, die dem heutigen Betrachter mindestens ein Kopfschütteln, doch meistens große Erheiterung bringt. 

Mein Bericht beginnt mit einem Vorkommnis dieser Art aus dem Jahre 1905, beinhaltet aber auch Geschichtliches, besonders aus den fünfziger Jahren. Nach Ende des Zweiten Weltkrieges entwickelte sich ein großer Markt an oft kurios anmutenden Kleinfahrzeugen bis 250 ccm. Vorher unbekannte Hersteller gründeten neue Firmen und verschwanden oft nach wenigen Jahren. 

Auch meine eigenen Erinnerungen, die sich um das Thema des fahrbaren Untersatzes drehen, kann ich zum Besten geben. Lies und erinnere dich an deine eigenen Erfahrungen mit dem "liebsten Kind der Deutschen". 


Es war die frühe Zeit, in der die Automobil-Geschichte bereits ihren Anfang genommen hatte und unvermittelt die ersten Exemplare knatternder Benzin-Rösser auf den Kopfsteinpflastern der Städte und auf staubigen Landstraßen auftauchten. 1885 hatte der deutsche Ingenieur Carl Friedrich Benz seinen Benz Patent-Motorwagen Nummer 1 entwickelt, der als erstes praxistaugliches Automobil galt. Noch erregte das Erscheinen dieser Fahrzeuge beträchtliches Aufsehen bei den Passanten und noch längst nicht liefen sie den von Pferden gezogenen Kutschen und Wagen den Rang ab. 

Meist „gut betucht“ waren die Besitzer der „Motorwagen“, wie diese Vehikel damals genannt wurden und man sah bereits sehr früh in ihrem Besitz einen gewissen gesellschaftlichen Status. Man gehörte zur Oberschicht und man zeigte seine ausgeprägte Persönlichkeit durch seinen zur Schau gestellten Fortschrittsglauben. Dabei steuerte nicht jeder sein Fahrzeug mit eigener Hand, machte es sich stattdessen im überdachten Fond bequem und ließ sich von einem Bediensteten chauffieren. 

Und so mancher begründete die neue Errungenschaft mit Sparsamkeit: Ein Pferd fräße schließlich immer sein Futter, auch wenn es nicht bewegt werde. Anders aber das eiserne Ross, welches nur dann Benzin saufe, wenn es fahre. Zudem verwies man auf die tierischen Verunreinigungen auf den Straßen, die vom Motorwagen nicht zu erwarten seien. Die Skeptiker der selbst fahrenden Kutschen waren nur schwer zu überzeugen und sahen das neumodische Zeugs auf den Straßen eher kritisch. Es kam oft zu Auseinandersetzungen und Ereignissen, die dem heutigen Betrachter wie ein Stück Satire vorkommt. 

Die Beschreibung dieses im Jahre 1907 entstandenen Fotos findest Du unter der Geschichte vom

Schultenhof in Sallinghausen.


Eine „Schmunzelgeschichte“ aus dem Jahre 1895

 

Eine solche Begebenheit ereignete sich nicht hier im Sauerland, obwohl sie eigentlich überall geschehen sein konnte. Meine Erzählung fußt auf einem, Erheiterung erweckenden Schriftwechsel, der Ende des 19. Jhd. im südwestlichen Teil des Schwarzwaldes geführt wurde. Hier im Oberrheingraben war die Bevölkerung seit jeher darauf eingestellt, dass die Erde urplötzlich zu beben beginnt. Diesem Umstand wegen schreckt dort keiner mehr aus seinem Bette hoch, auch reißt man nicht die Fenster auf um nachzusehen. Ganz anders erregte jedoch jenes Aufsehen, welches sich im Mai des Jahres 1895 im idyllischen Städtchen Denzlingen ereignete, als dem Anschein nach in einem Gasthaus die Vorhänge zu flattern begannen. Was war geschehen?

Urheber dieses Bebens soll der Unternehmer und Fabrikant namens Alexander Gütermann gewesen sein. Am 15. Mai 1895 führte ihn die sonntägliche Spritztour mit seinem Motorwagen durch das Städtchen Denzlingen. Seine Fahrt, die an der Schankwirtschaft „Zum Ochsen“ vorbeiführte, brachte dem Automobilisten tags drauf eine unerwartete Unannehmlichkeit in Form eines „Knöllchens“, ausgestellt vom „Großherzoglich Badischen Bezirksamt“ in Waldkirch. Oberamtmann Krohn teilte im amtlichen Schreiben mit, dass Herr Gütermann mit drei Mark in Strafe genommen werde. Dieser sei am Sonntag zuvor mit seinem „Benzin-Motor-Pferd“ in einer derartigen Geschwindigkeit durch Denzlingen gefahren, dass es dort in einer Wirtschaft zum Flattern der Vorhänge gekommen sei. Es folgte prompt „schwarz auf weiß“ nach wenigen Tagen eine Gegendarstellung des Beschuldigten. Darin wehrte er sich höflichst, aber bestimmt, gegen die Anschuldigungen und benennt einen gewichtigen Zeugen, der rein zufällig als Gast „im Ochsen“ zugegen gewesen sei. Kein Geringerer, als Exzellenz Hofrath von Mechtersheim habe sein Ehrenwort gegeben und versichert, dass besagtes Flattern der Vorhänge nicht wegen des Benz-Motors sondern der Neugierde wegen des dort verweilenden Publikums es sich zugetragen habe. 

Affinität an der Mobilität

 

Diese Begebenheit kann heute nur erheitern, zeigt aber, wie sehr sich die Bevölkerung mit dieser neuen technischen Errungenschaft schwertat. Die Akzeptanz war zu dieser Zeit nicht vorhanden. Man kann aber davon ausgehen, dass Fabrikant Gütermann nach diesem Erlebnis auch weiterhin ein begeisterter Anhänger der neuen Mobilität war. Er war vermutlich der erste in der Stadt Gutach im Breisgau, der sich gegen Ende des 19.Jhds. ein Automobil leisten konnte. Bei der Firma Carl Benz in Mannheim kaufte Gütermann 1894 eine brandneue Benzinkutsche, die der Erfinder angeblich sogar persönlich auslieferte. Dass der im Führen des Fahrzeugs vorerst unerfahrene Erwerber rasch seine Freude am Fahren entdeckt und ausgiebig Gebrauch von seinem Neuerwerb gemacht hat zeigt auch die Tatsache, dass der Enthusiast 1899 einer der Mitbegründer des Autoclubs Freiburg war.    


Eine rasante Entwicklung  beginnt

Auch wenn sich der Motorwagen erst langsam etablierte, die Verdrängung der Pferdefuhrwerke aus dem Straßenbild der Städte nahm bereits Anfang des 20. Jahrhunderts ordentlich Fahrt auf. Schon 1909 wurden in Deutschland reguläre Fahrprüfungen abgenommen und ein Reichsgesetz über den Verkehr von Kraftwagen mit Verkehrsregeln erlassen. Die Höchstgeschwindigkeit wurde anfangs auf 15 km/h beschränkt. 

Stetige technische Verbesserungen führten letztlich dazu, dass der Gebrauchs- und Nutzungswert der Fahrzeuge die Skeptiker überzeugte. Bereits 1888 entwickelte Dunlop den aufblasbaren Gummireifen zur Serienreife. Weiterentwickelt wurde er von den Brüdern Michelin, die ihn ab 1895 für Kraftwagen verwendeten. Vier Jahre später wurde der Kardanantrieb erfunden und von den Brüdern Renault eingeführt. Im Jahr 1900 erfand Robert Bosch die Magnetzündung, und man begann, den jetzt meist vorn eingebauten Motor mit einem Kühler auszustatten und den Lenkhebel durch ein Rad zu ersetzen. Um 1903 kamen die ersten Bremsen mit Belag, meist Holz, Leder oder Filz, auf den Markt. Erfindungen rund ums Automobil wurden patentiert. 

 

Das Automobil hatte sich rasch als individuelles Verkehrsmittel durchgesetzt. Deutschland und Europa war dem Autofieber verfallen. Aber auch in Übersee wurden mehr oder minder profitable Produktionen in Gang gesetzt, indem sich etliche Firmen gründeten. Viele jedoch blieben erfolglos, stellten ihre Produktion wieder ein und verschwanden im Marktgeschehen. Große Schwierigkeiten hatte vorerst auch die um die Jahrhundertwende von Henry Ford in Detroit gegründete Fabrik. Er schaffte 1913 jedoch als Erster, die Produktion seiner Automobile erfolgreich auf Fließband einzurichten. Ein radikaler Umbruch in der Autoindustrie war die Folge, denn als Ziel galt, Fahrzeuge für die breite Masse der Bevölkerung herzustellen. Diese sollten preiswert aber dennoch zuverlässig sein. 

Foto aus dem Jahr 1934. Die Pension Pletzinger in Lüdingheim nutzte ihr Automobil der Marke OPEL zum Beförderung ihrer Gäste. Bahnanschluss bestand in Freienohl und ab 1911 in Eslohe. 


In Schmallenberg nannte man es "Duiwelswärk"

Dennoch blieb das Automobil für lange Zeit nur den Teilen der Bevölkerung vorbehalten, die es sich aus finanzieller Sicht leisten und aus beruflichen Gründen anschaffen konnten. Im sauerländischen Schmallenberg kaufte der Arzt Dr. Witzheller schon im Jahre 1908 eine Garage um dort sein Auto unterstellen zu können. Das kaufte er noch im gleichen Jahr. Es war ein Picolo, der in Apolda (Thüringen) gebaut wurde. Es kostete 3.300 Goldmark und fuhr schon bis zu 40 Stundenkilometer.

Für viele Schmallenberger war dieses Fahrzeug noch das „Duiwelswärk“ (Teufelswerk). Doch der aus dem Rheinland stammende Arzt war überzeugt von seiner Neuanschaffung: „Das Maschinchen ist jut.“

Noch wurde das Benzin fass- oder kannenweise geliefert. Erst 1926 wurde die erste Benzin-Zapfstelle in Schmallenberg eingerichtet. Hier konnte synthetisch hergestelltes Benzin angeboten werden, das aus deutscher Kohle hergestellt und durch deutsche Firmen auf den Markt gebracht wurde. (Bild und Beitrag wurden einem im Homert-Kurier am 3. Mai 1991 erschienenen Artikel entnommen).

Der Arzt Dr. Witzheller besaß das erste Auto in Schmallenberg.
Der Arzt Dr. Witzheller besaß das erste Auto in Schmallenberg.


Mit Kleinstwagen und Rollermobil zum Aufschwung in den fünfziger Jahren

1926: Der Opel "Laubfrosch" des Dr. med. Johannes Hegener aus Eslohe
1926: Der Opel "Laubfrosch" des Dr. med. Johannes Hegener aus Eslohe

Die Älteren unter uns konnten es in den fünfziger und sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts mehr oder weniger bewusst erleben: Diese sind nach den Schrecken des Zweiten Weltkrieges als „Wirtschaftswunderjahre“ in die deutsche Geschichte eingegangen. Der in den Nachkriegsjahren erfolgte wirtschaftliche Aufschwung mit Vollbeschäftigung führte auch zu einem wachsenden Boom in der Autoindustrie. Neben den noch vorhandenen Kriegstrümmern locken bald Konsumgüter aller Art, denn man konnte sich wieder etwas leisten. Die Industrie stellte sich mit motorisierten Zweirädern und zahlreichen Produktionen von Kleinwagen auf die Bedürfnisse der Kunden ein, da viele keine entsprechende Fahrerlaubnis hatten. Der alte Führerschein IV galt nur für Kraftfahrzeuge bis 250 cm3 Hubraum. 

 

An der beginnenden Massenmotorisierung beteiligte sich auch eine kleine Firma aus dem Sauerland: In Arnsberg gründete bereits 1949 der Konstrukteur Paul Kleinschnittger die „Kleinschnittgerwerke GmbH“ zur Herstellung eines Kleinwagens. Im April 1950 wurden die ersten Fahrzeuge ausgeliefert. Damals wurden pro Monat bis zu 50 Exemplare gefertigt, deren Stückpreis bei nur etwa 2.300 Deutsche Mark lag. Das Unternehmen konnte sich jedoch nicht lange halten, geriet in die Krise und ging im August 1957 in den Konkurs.  (siehe dazu auch den Aufsatz von Brigitte Podszun im Jahrbuch des Hochsauerlandkreis 1989, ab Seite 94 mit dem Titel "Volkswagen aus dem Sauerland").

 

Ein Auto auf dem Hof erregte in dieser Zeit noch Aufsehen im Dorf (um 1955).
Ein Auto auf dem Hof erregte in dieser Zeit noch Aufsehen im Dorf (um 1955).

Ähnlich erging es dem Konstrukteur Carl F.W. Borgward, der im Juni 1950 seinen Kleinwagen Lloyd 300 (scherzhaft „Leukoplastbomber“ genannt) vorstellte. Die Karosserie bestand aus Sperrholz sodass der Wagen nur rund 400 Kilogramm wog. Mit seinem 10 PS starken Motor schaffte das Fahrzeug deshalb eine Höchstgeschwindigkeit von 70 Stundenkilometer. „Wer den Tod nicht scheut, fährt Lloyd“, wurde damals gespottet. 1961 ging auch Borgward in Konkurs.  

 

BMW baute nach dem Krieg vorerst nur Motorräder, bediente aber auch mit der Isetta ab 1955 einen neuen Käuferkreis. Der Kleinwagen, halb Motorrad, halb Auto, hatte eine große Fronttür, die man aufklappen musste um einzusteigen. Zwei Personen konnten darin Platz finden. Die Isetta wurde bis 1962 von BMW in großer Stückzahl gebaut. Nur das Goggomobil, ein Kleinstwagen, der in verschiedenen Versionen seit 1955 in Dingolfing von der Firma Hans Glas GmbH hergestellt wurde, erreichte eine größere Stückzahl. Die Produktion wurde 1969 eingestellt. Erwähnenswert ist noch der ab 1953 produzierte Kabinenroller des Flugzeugherstellers Messerschmitt. Die Konstruktion war eine Ingenieursleistung von Fritz Fend. Dieses originelle Fahrzeug wurde in verschiedenen Variationen bis 1961 gebaut. Es erfolgten danach noch einige Nachbauten. 

 

Die auf dem Markt erschienenen Kleinstwagen und Rollermobile gelten heute als Symbole für den raschen Wiederaufbau Deutschlands nach 1945. Die gehörten aber bald der Geschichte an, da sog. vollwertige Autos, die mit dem Führerschein der Klasse III gefahren werden durften, den Markt eroberten und bald das Straßenbild vielfältig prägten. 


Der VW-Käfer, ein Auto und  des Deutschen „liebstes Kind“

Mit Urlaubsreisen im eigenen Auto erfüllten sich viele Deutsche einen bislang unerfüllten Traum, stillten ihre Sehnsucht nach einer heilen Welt. Das Auto wurde ein Statussymbol, aber für viele Millionen blieb vorerst ein eigenes Auto unerschwinglich.

 

Doch ein Fahrzeug, zuverlässig und bereits 1934 für Volk und Vaterland entwickelt und gebaut, eroberte sich bald die Straßen:

 

Der VW-Käfer. Das Volkswagenwerk war ein Vorzeigeobjekt des NS-Regimes. Bald nach Kriegsende wurde die Produktion wieder aufgenommen. Das Konzept eines luftgekühlten vierzylindrigen Boxermotors mit Heckbetrieb war so erfolgreich, dass bis zur endgültigen Einstellung der Produktion im Jahre 2003 davon weit über 20 Millionen Fahrzeuge vom Band liefen. Der Käfer wurde im wahrsten Sinne zum „Volkswagen“ .    

 

Trotz stetiger Verbesserungen blieb der Nutzeffekt dieses Wagens hinter dem anderer Marken zurück.  Bei Kälte und Nässe offenbarten sich Schwächen in Bezug auf Heizung und Belüftung, die nie richtig ausgemerzt wurden. Dennoch war der Käfer als preiswerte Alternative beliebt und seine robuste Technik überzeugte einen großen Käuferkreis.  Dazu gehörte auch der Landwirt Anton Mathweis aus Sallinghausen, der 1953 einen VW-Käfer als erstes Automobil auf seinen Hof holte. Es war wohl auch der erste Personenkraftwagen im Dorf. Mathweis kaufte das Fahrzeug bei der Firma Arens & Kersting in Eslohe. Diese Firma lieferte ebenfalls 1953 erstmalig einen VW Käfer auf den Hof Klöpper in Frielinghausen.  Der Kaufpreis betrug damals 5.245 DM.

 

Bei Schnee und Glätte zeigte sich beim Käfer ein entscheidender Vorteil durch eine optimale Gewichtsverteilung und den Heckantrieb. Damals waren auf Winterreifen Spikes erlaubt. So ausgestattet, gab es kein besseres Fahrzeug für diese Jahreszeit. Das erkannte auch der Waldarbeiter Alfred Fuchs aus Sallinghausen und kaufte einen gebrauchten VW-Käfer, baute den Beifahrersitz aus seinem Fahrzeug. um Motorsäge, Axt, Schälmesser und andere Utensilien zur Ausübung seines Berufes transportieren zu können. Fuchs schonte sein Fahrzeug in keiner Weise. Dennoch verrichtete sein Käfer einige Jahre seinen harten Dienst in den heimischen Wäldern, bis dass eines Tages der TüV den Stempel versagte. Auch der Nachbar Franz Schulte (+), Schwiegersohn der Kriegswitwe Nolte, entschied sich damals zum Kauf eines VW-Käfers, den er mit Hingabe pflegte. Es war noch ein Käfer-Modell mit kleiner geteilter Heckscheibe. 


Dieser Bericht wird fortgesetzt