Sie sind beredte Zeugnisse der Vergangenheit:

Kreuze und Bildstöcke am Wegesrand


Erinnerung an eine heimatkundliche Forschungsarbeit der SGV-Abteilung Eslohe, die letztlich in eine Buchveröffentlichung mündete

„Im schönen Tempel der Natur

siehst du des großen Gottes Spur.

Doch willst du ihn noch größer sehn, 

bleib vor einem Kreuze stehn.“

 

Dieser Spruch, den ich einst an einem Hofkreuz im christlich geprägten Voralpenland las, könnte ein Leitsatz für alle Wander- und Naturfreunde sein. Er spiegelt die Naturverbundenheit der Menschen, aber auch deren Bewusstsein von der Größe des Schöpfers wider. Gerade in Gegenden, wo der katholische Glaube überwiegend vertreten ist, kann allerorten festgestellt werden, dass Weg-, Feld- und Hofkreuze sowie Bildstöcke und Heiligenhäuschen als Kleinode die Landschaft bereichern und das Landschaftsbild mitgestalten. Sie sind Zeuge einer verwurzelten Volksfrömmigkeit. So hält der Wanderer, der gemächlich seiner Wege geht und offenen Auges die Welt durchstreift, Ausschau nach diesen christlichen Wegbegleitern. Doch die Entstehung und Bedeutung ist ihm selten bewusst. 

 

Das mussten auch im Jahre 1997 die Wanderer der SGV (Sauerländischer Gebirgsverein e.V. Abteilung Eslohe) selbstkritisch feststellen. Zu wenig war ihnen von den zahlreichen Kreuzen und Bildstöcken in der näheren Heimat und somit auch von deren Geschichte bekannt. Das sollte sich ändern!


Der alte "Köttenherrgott" befindet sich heute im Esloher DampfLandLeute-Museum in Eslohe. Er stand von 1915 bis 1965 nahe am Wenne-Ufer, dort wo der Weg zum ehemaligen Wenner Bahnhof, heute Teil des "Nordschleife"-Radwegs, beginnt. Die unflätige Bezeichnung hat folgenden Grund: Hier war ein bekannter Sammelplatz des fahrenden Volkes. Scherenschleifer und Kesselflicker kampierten dort, Sinti und Roma feierten hier Familienfeste. Heute steht ein neues Kreuz an dieser Stelle. 

Das "alte" Hofkreuz von Gockeln Hof in Sallinghausen. Auch dieses befindet sich heute im Fundus des DampfLandLeute- Museum in Eslohe.  (siehe nachfolgender Bericht)

Die Wanderfreunde beschlossen damals nach Anregung durch Mathilde Rischen aus Bremscheid und unter der Federführung des ihres einstigen Vorsitzenden Michael Poggel: „Wir wollen mehr wissen von den Zeitzeugen am Wegesrand und möchten deren Geschichte erforschen.“

Nach einigen Monaten Arbeit, an der auch ich mich aktiv beteiligte, konnte von erfolgreichen Recherchen berichtet werden. Akten mit Textdokumenten und Fotos von Kreuzen und Bildstöcken in der Gemeinde Eslohe wurden nach relativ kurzer Zeit zusammengestellt. Für alle überraschend war die Fülle der Informationen und die Vielzahl der Objekte. „Es erschlägt uns fast!“, war zunächst die einhellige Meinung der Beteiligten, die aber angesichts der aktiven Mitarbeit der Bevölkerung vom Erfolg ihrer Arbeit überzeugt waren. Überraschend war auch die Tatsache, dass nur in wenigen Fällen die lapidare Aussage – begleitet vom nichtssagenden Achselzucken der Befragten – zu vermelden war, die lautete: „Es stand schon immer da!“ 

 

In der Tat ist festzustellen, dass in unserer Gemeinde nur selten Kreuze oder Bildstöcke anzutreffen sind, die vernachlässigt sind oder den Eindruck vermitteln, dass keiner sich kümmert. Es sollte ein Nebeneffekt der Recherche sein, diesen vergessenen Objekten wieder Pflege angedeihen zu lassen. Denn das stand für alle fest: Jedes Kreuz, jeder Bildstock hat seine eigene Geschichte, die es zu würdigen und zu erhalten gilt. Diejenigen, die sie aufstellen ließen, wollten damit etwas zum Ausdruck bringen, an ein Ereignis erinnern, mahnen oder Dank sagen, ein Gelübde halten, ihren Gottesglauben zum Ausdruck bringen. So vielfältig diese Ziele sind, so vielfältig sind auch die Geschichten, die sie erzählen und die damals zusammengetragen wurden.

Doch Kreuze sind nicht für die Ewigkeit errichtet, werden zerstört und vergessen und mit ihnen die Erinnerung an ihre Entstehung. Auch deshalb war es eine weitere Zielsetzung, das Andenken an bereits nicht mehr vorhandene Objekte wieder aufleben zu lassen. In diesem Zusammenhang ist das „Mordkreuz am Polizeiweg“ zu nennen, das bereits vor Jahrzehnten umgestürzt und vermodert ist. 

 

An ein zweites Kreuz, welches auch nahe am Wennerstich gelegen war, kann sich heute keiner mehr besinnen. Es wurde zur Erinnerung an einen tragischen Unglücksfall bei der Feldarbeit errichtet. Das Opfer war ein Sohn vom Hof Poggel in Niedereslohe. (nach Aufzeichnungen des Heinrich Heymer). Eine Eintragung des Esloher Pfarrers im Kirchenbuch der Pfarrgemeinde St. Peter und Paul berichtet 1849 jedoch vom tragischen Unglück des zehnjährigen Joseph Poggel. Man fand ihn tot unter einem Baumstamm.    

 

Auch die Erinnerung an das Hofkreuz am ehemaligen Schultenhof in Sallinghausen, welches im Jahre 2018 beim Abriss des gesamten Hofensembles aus dem 19. Jahrhundert auch dessen Schicksal teilte, wird irgendwann verblasst sein. 

 

Erkenntnisse über schlimme Vorkommnisse sind den forschenden Wanderern in reichlichem Maße untergekommen. So erinnert auch das Kreuz mitten in Hengsbeck an einen tragischen Unglücksfall, der sich in diesem Dorf im Juli 1877 bei Ausschachtungsarbeiten ereignet hat. Der 48jährige Franz Anton Kampmann wurde dabei von einstürzenden Bodenmassen verschüttet. Er hinterließ vier unmündige Kinder, deren Mutter bereits wenige Jahre zuvor gestorben war. Das war für die Bewohner des Dorfes Anlass genug, zum Gedenken an diese Geschehnisse ein Kreuz mit Korpus aufzustellen und es bis heute in Ehren zu halten. 

 

Auf dem Hof Schulte-Hüttemeister in Bremscheid steht ein schmuckloses hölzernes Kreuz. Auch das erinnert an ein dramatisches Ereignis, das längst in Vergessenheit geraten wäre, stünde nicht jenes Kreuz dort. Ein Wegelagerer, der Unterschlupf und Nachtruhe in der zum Hof gehörenden Scheune fand, wurde Opfer seiner eigenen Unachtsamkeit. Das Gebäude brannte nieder, da der Mann nachlässig mit Feuer umging. Der Eindringling kam zu Tode. Über solche oder ähnliche Geschichten konnte zur Genüge berichtet werden.

 

Wegekreuze erinnern häufig an Plätze, wo gewisse Bräuche ihren Ursprung haben, z.T. schon in vorchristlicher, heidnischer Zeit. Sie stehen oftmals an Stellen früherer Mahnmale, die etwas an Grenzverhandlungen, Verträge, Begräbnisstätten oder ähnliches erinnern. Bevorzugte Standorte waren belebte Wegekreuzungen, denn ein alter Volksglaube besagt, dass dort Übersinnliches am ehesten zu erfahren ist. Man meinte, dort unter allerlei Praktiken Krankheiten und anderes Übel loswerden zu können. In christlicher Zeit vermischten sich religiöse Handlungen mit dem alten Glauben, so betete man fünf Vaterunser zu Ehren der fünf Wunder Christi. 

 

An Stelle der heidnischen Zeichen wie z.B. Pest-, Bet- oder Martersäulen, die Unheil abwenden sollten, traten nicht selten Feld- und Wegekreuze als Zeichen christlichen Glaubens. So auch ein Kreuz in Bremke. Es steht seit ewigen Zeiten in der Einmündung der alten Landstraße in die Minden-Coblenzer-Straße, die heutige B 55. An dieser Stelle – oder ganz in der Nähe -, verlief der sagenumwobene Kriegerweg, ein uralter Verkehrsweg, der vom Neuwieder Becken über den Westerwald nach Siegen in nordöstlicher Richtung quer durchs Sauerland führte und den Ort Bremke berührte.  



Auch Fußfälle und Kreuzwege werden in die Erforschung der SGV-Ortsgruppe mit einbezogen. In diesem Zusammenhang sind die sieben Fußfälle von Niedermarpe hervorzuheben. Aber auch der Kreuzweg „Im Dümpel“ bei Obersalwey ist in gutem Zustand und beeindruckt durch den Ausdruck der kunstfertig erstellten Stationen, begleitet von einer 1933 aufgestellten Marienstatue aus Sandstein. Im Jahre 1948 errichtete man zusätzlich eine kleine Kapelle, die dem Hl. Josef geweiht ist. 

Des Weiteren kümmerte man sich um die Geschichte des Judenfriedhofes am „Jaidstein“ bei Wenholthausen. Der Stern auf dem Grabstein der im Jahre 1895 auf dieser stillen Anhöhe begrabenen Jüdin Rosette Würzburger erinnert an eine bewegte und schwierige deutsch- jüdische Vergangenheit. Tiefe Stille und Andacht umfängt den Wanderer in einer herrlichen geschichtsträchtigen Landschaft. 

 

Der Wunsch des SGV war eine Veröffentlichung ihrer Recherchen in Form eines kleinen Buches, einem Wanderführer ähnlich, der Standorte benennt und Wegbeschreibungen bietet. Im Herbst 1999 lag dieses Büchlein druckfrisch auf dem Tisch und setzte mit dem Titel „… durch der Zeiten Lauf“ einen besonderen Akzent der Heimatpflege. 


Hofkreuz "Gockeln Hof" in Sallinghausen

Auch für die Dorfältesten steht schon immer "Gockeln Kreuz" an der Einfahrt zum Hof der Familie Baust in Sallinghausen. Dort, an dieser markanten Stelle, ist es bereits im Jahre 1895 aufgestellt worden, bezeugt durch die rückseitig im Eichenholz eingeritzte Jahreszahl. Seitdem trotzt es dort der Witterung, umgeben von einer in der Gegend typischen Hofanlage in Fachwerk, einem von Buchsbaum umgrenzten Bauerngarten und einer Streuobstwiese visasvis. 

 

Warum Anton Baust gnt. Gockel (geb. 25.04.1848, gest. 16.04.1925) dort das Kreuz hat errichten lassen, kann heute mit Bestimmtheit nicht erklärt werden. Vielleicht, so ist zu vermuten, steht das in Zusammenhang mit dem damals genau fünfzig Jahre zurückliegenden Ereignis auf dem Hofe: 1845 brannte der gesamte Dachstuhl des Wohnhauses ab. Personen sind dabei nicht zu Schaden gekommen. Dennoch wird das Kreuz als Dank an den Herrn und Schöpfer, der ein halbes Jahrhundert schützend seine Hand über den Hof und die Familie gehalten hatte, errichtet worden sein.

 

Jedoch ist auch davon auszugehen, dass dieses Hofkreuz bereits einen Vorgänger hatte. Bei Aufräumungsarbeiten hatte man viele Jahre später einen sehr alten, jedoch stark beschädigten Korpus gefunden. (siehe Abbildung oben)