Der Wiesenbau im Salweytal


Die Wiesentäler der Salwey wurden in früherer Zeit durch Gräben nicht nur entwässert, sondern auch in jahrhundertealter Tradition durch Überflutung bewässert. Damit erreichte man eine natürliche organisch-mineralische Düngung durch die Sedimentation der im Wasser enthaltenen Nährstoffe. Hierzu wurden von den Bauern regelrechte Bewässerungssysteme angelegt und teilweise noch bis zum Beginn des Zweiten Weltkrieges genutzt. 

Die Wiesen sind fruchtbar im Salweytal (im Hintergrund der ehem. Schultenhof in Sallinghausen), Foto um 1960
Die Wiesen sind fruchtbar im Salweytal (im Hintergrund der ehem. Schultenhof in Sallinghausen), Foto um 1960

Durch  das sog. „Flößen“ konnte  zu Beginn des Frühjahrs der noch vorhandene Schnee auf den Wiesen zeitiger weggetaut werden. Nach der Frostperiode war das Bachwasser wärmer als der Boden. Dadurch erwärmte sich der Boden früher, sodass die Vegetationsperiode einige Tage früher einsetzen konnte. Diese ökologisch verträgliche Form der Wiesenbewirtschaftung brachte so vermehrt Grünfutter für die ohnehin geringe Viehhaltung, auch weil eine zweite Mahd möglich wurde. 

 

Die in den Häusern und Stallungen anfallende Jauche und der Mist wurde seinerzeit ausschließlich als Düngung für das spärliche Ackerland und für die Gärten genutzt. Mineralischer Kunstdünger war teuer, aber diese natürliche Form der Düngung war kostenlos, aber auch sehr arbeitsintensiv. Im Winter musste regelmäßig mit Grepe und Spaten, mit Hacke und Harke auf den Wiesen gearbeitet werden. Maulwurfshaufen wurden geglättet, das Ungeziefer nach Möglichkeit ferngehalten und das Wasser der Salwey musste an die Wiesen herangeleitet werden. Technische Bauwerke waren hierbei Wehre, Schieber und die Gräben. Kleine Rinnen, die auf der Wiese selbst nach Bedarf immer wieder frisch gestochen wurden, verteilten das herangeholte Wasser. Mit den erdenklichsten Mitteln und der eifrigsten Sorgfalt wurde gearbeitet, bis die Grasnarbe regelrecht getränkt war. 


An einem Sonntag um 1910: Muße am Salweybach in Sallinghausen. Im Hintergrund ist Feldmanns Schlacht erkennbar.
An einem Sonntag um 1910: Muße am Salweybach in Sallinghausen. Im Hintergrund ist Feldmanns Schlacht erkennbar.

Vor der ersten Kälteperiode im Herbst berieselte man die Wiesen wochenlang, denn zu dieser Zeit brachten die Bäche von den abgeernteten Feldern die besten Düngemittel mit. Dagegen diente die Frühjahrsbefeuchtung der Wiesen hauptsächlich der Bodenerwärmung. Durch eine Bewässerung im Sommer sollten die Wiesen nicht austrocknen und für einen besseren Graswuchs sorgen. Um die Gräben zu schonen wurde bei der Heuernte vorsichtig mit dem Fuhrwerk gefahren. Das Mähen, Wenden und Harken war Handarbeit und mit dem Heutragetuch wurde das getrocknete Gras zum Wagen getragen. 

 

Bei fachgerechter Bewässerung war die Düngung so gut, dass der Heuertrag in Menge und Qualität gegenüber anderen Wiesen erheblich verbessert war. Das Wasser des Salweybaches war deshalb bei den Bauern begehrt und so bestand die eine oder andere Neigung im Dorf „dem anderen das Wasser abzugraben“. Eine Wiesengenossenschaft, wie anderorts von den beteiligten Bauern gegründet, bestand in Sallinghausen nicht. Die Situation wurde hier zusätzlich durch den Betrieb der Korn- und Sägemühle des Mühlenbesitzer Sternberg erschwert. Für das Betreiben seiner Mühle und zur Stromerzeugung leitete er die Gewässer auf Wasserrad oder Turbine durch den „Mühlengraben“ vom natürlichen Bachlauf ab. Für die Bauern blieb dann oft in trockenen Zeiten zu wenig Wasser zum Flößen, was dann nicht selten zu Streitigkeiten untereinander führte, obwohl eine alte Regel über die Flößerrechte galt, dass das fließende Wasser von denjenigen Anliegern zunächst benutzt werden kann, denen es am ersten zufließt. Überliefert ist, dass bereits 1847/48 ein heftiger Prozess zwischen Eickhoff mit Mathweis wegen des Teichrechtes „auf dem Kamp“ wegen Schulten Schlacht geführt wurde.


Feldmanns Schlacht bei Hochwasser, im Hintergrund der Hof um 1940
Feldmanns Schlacht bei Hochwasser, im Hintergrund der Hof um 1940

Eigentlich war doch schon seit 1913 geklärt, welche Rechte bestanden. Das Grundbuch des Mühlenbesitzers war in Abteilung II belastet mit den Rechten der Bauern: „Dem jeweiligen Eigentümer (hier: Wilhelm Feldmann) des Grundstücks Flur 4 Nr. 10 des Grundbuchs von Eslohe steht das Recht zu, zur Bewässerung der genannten Parzellen in der Zeit vom 15. Juni bis 1. August an zwei von dem Eigentümer des berechtigten Grundstücks zu bestimmten Sonntagen bzw. in der Zeit von Sonnabend 8 Uhr nachmittags bis Montags 5 Uhr vormittags Flößwasser durch die belasteten Parzellen zu leiten und zwar derart, dass der jeweilige Eigentümer der berechtigten Parzelle das Wasser unter dem im Obergraben unterhalb des Wehres angebrachten Schütt durch den Abfallgraben in den Bach leitet. Eingetragen am 18. Juli 1913.“

 

Am 30.09.1922 schrieb der Landrat in Meschede an Wilhelm Feldmann, meinen Großvater: „Ihre Beschwerde betr. Behinderung der Vorflut im Salweybache sehe ich als erledigt an, nachdem Sie sich mit dem Müller Sternberg geeinigt haben.“ Es war schon wichtig, dass Absprachen unter den Nachbarn getroffen wurden. Dennoch kam es auch in späteren Zeiten zu Streitigkeiten mit dem Mühlenbesitzer, an denen nicht nur Großvater, auch andere Bauern im Dorfe beteiligt waren.

 

Es ist öffentliches Interesse, dass die Wassernutzung eines Gewässers jeglicher Art durch ein Recht sichergestellt ist. So ist auch ein Wiesenbewässerungsrecht im sog. Wasserbuch einzutragen und dessen Erlangen in einem amtlichen Verfahren zu beantragen. 


Auszug aus dem Bauplan des Ingenieurbüro Westerhoff, Hagen, aus dem September 1921
Auszug aus dem Bauplan des Ingenieurbüro Westerhoff, Hagen, aus dem September 1921

Wilhelm Feldmann plante 1921 die Erneuerung der alten Schlacht im Salweybach, die so marode und unbrauchbar war, dass ihre einstige Nutzung in Zweifel gezogen werden konnte. Er beabsichtigte deshalb eine neue Stauanlage bauen zu lassen und beauftragte das Landmesser- und Ingenieurbüro Otto Westerhoff in Hagen, die Planung vorzunehmen und für ihn die amtlichen Anträge vorzubereiten. Das beanspruchte Wasserrecht war im Grundbuch des Hofes nicht eingetragen, obwohl eine über einhundert Jahre alte uneingeschränkte Nutzung der Stauanlage „auf den Rechtstitel Ersitzung“ (Das ist der Erwerb an Sachen im Sinn des bürgerlichen Rechts durch Zeitablauf und Eigenbesitz) bestand. Auch waren keine Urkunden auffindbar oder waren verloren gegangen, sodass eidesstattliche Erklärungen alter Ortseingesessener herangezogen werden mussten. Der am 31.12.1840 geborene Posthalter Joseph Schulte aus Eslohe sowie Ignaz Schulte, geb. am 22.07.1847 in Schüren und wohnhaft an der Wenne , beide Altveteranen im Deutsch-Französischen Krieg von 1870, erklärten übereinstimmend, dass die alte Stauanlage im Salweybach, zugehörig zum Nurks Hof, bereits vor 1870 dort bestanden habe und dass nach ihrem Wissen gegen die Benutzung der ausgeübten Stauhöhe niemals Widersprüche laut geworden seien. Am 5. Januar 1924 wurde amtlicherseits das Recht sichergestellt, „das Wasser des Salweybaches für Flößzwecke bis auf die Ordinate 291,31 Meter zu stauen, vermittels eines Flößgrabens und kleinerer Ableitungen durch seine Wiese zu leiten und nach Gebrauch dem Salweybach wieder zuzuführen.“ 


Die vom Großvater neu errichtete Stauanlage wird, so wie alle anderen, von den Bauern im Ort seit den fünfziger Jahren des letzten Jahrhunderts nicht mehr genutzt. Die Gräben wurden zugeschüttet und die Schieber beseitigt. Im Jahre 2012 ist auch das Wiesenbewässerungsrecht aus dem Wasserbuch offiziell gelöscht. Noch heute sind die seitlichen Betonmauern des Stauwehres erhalten und sichtbar, auch die Rinnenstrukturen der wasserbaulichen Gräben lassen sich an manchen Stellen noch erahnen. Der Wiesenbau gehört schon lange der Vergangenheit an. 

 

Hinweis: 

Über den Stellenwert der Wiesenwirtschaft im Sauerland wurde von Gudrun Schulte berichtet. Ihr Aufsatz erschien in den Esloher Museumsnachrichten 2014 (Seite 67), war aber nicht Grundlage meiner Recherchen, die sich im Besonderen auf die örtliche Situation in meinem Dorf beschränkten.  Die Ausgabe der Museumsnachrichten ist vergriffen. Deshalb steht der Beitrag hier zum Download zur Verfügung.

Zum (C): Gudrun hat ihr Einverständnis erteilt. 

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