Sommerfrische im juwel des Sauerlandes


Die Brüder Albrecht erinnerten sich an glückliche Tage         in Lüdingheim

Mit der Eröffnung der Bahnlinie Finnentrop- Wennemen im Jahre 1911 erhielt Eslohe Bahnanschluss an die bereits seit Jahrzehnten bestehende Ruhrtalbahn. Das brachte lang ersehnte Vorteile nicht nur für die vor Ort ansässige Industrie und die Land- und Forstwirtschaft. Es bestanden nun auch für Erholung suchende Menschen gute Voraussetzungen das bis dahin im Fremdenverkehr wenig frequentierte Amt Eslohe über die Schiene zu erreichen. Doch der I. Weltkrieg und seine Folgen durchkreuzte vorerst die Hoffnung der Einheimischen, die Beherbergung von Fremden als einen lukrativen Erwerbszweig in der Region weiter aufzubauen.

Die Eheleute Joseph Pletzinger und Maria Pletzinger, verwitwete Blöink (Foto: um 1919)
Die Eheleute Joseph Pletzinger und Maria Pletzinger, verwitwete Blöink (Foto: um 1919)

Gästebeherbergung - Eine zusätzliche Erwerbsquelle

 

Im Amt Eslohe waren zu dieser Zeit nur wenige Beherbergungsbetriebe vorhanden. Dazu gesellten sich Höfe, die in der Beherbergung von Erholungssuchenden neben der Land- und Forstwirtschaft eine weitere Einnahmequelle erkannten. Beispielhaft ist der Hof von Joseph Pletzinger zu nennen. In Lüdingheim bewirtschaftete er mit seiner Ehefrau Maria den „Giersen Hof“ 1), einen der insgesamt drei Höfe im kleinen und beschaulichen Dorf im Amt Eslohe.


Maria wurde am 22.12.1877 in ihrem Elternhaus Köhne in Berghausen bei Schmallenberg geboren. Mit der Eheschließung am 15.5.1907 mit dem Landwirt Johann Wilhelm Blöink heiratete sie auf dem Giersen Hof in Lüdingheim ein. Als ihr Mann am 19.3.1918 plötzlich an einer Lungenentzündung verstarb, stand sie mit drei kleinen Kindern allein: Der älteste Sohn Wilhelm 2), die Tochter Agnes 3) und der zweijährige Josef 4). Zwei weitere Kinder 5) waren bereits früh gestorben.

Joseph Pletzinger stammte aus Altenilpe, war Landarbeiter (Knecht) auf Giersen Hof und sechszehn Jahre jünger wie die 43jährige Witwe. Schon bald heiratete das ungleiche Paar. Joseph Pletzinger wurde nun Stiefvater von Marias Kindern und kümmerte sich vorbildlich um Haus und Hof. Doch er fand keine guten Verhältnisse vor: Feuchtigkeit und Schimmel in den Wänden, Sturm und Nässe drangen durch Fenster und Türen. Das alte Wohnhaus machte seine Bewohner krank. Da war es dringend notwendig, ein neues Haus zu errichten.

 

Bereits im Jahre 1921 zog die Familie in ihr neues Heim ein. Darin befanden sich im Untergeschoss Keller- und Vorratsräume und der Stall. Alle Wohnräume lagen im Erd- und Obergeschoss darüber. Der Wohnraum war großzügig bemessen, hell und freundlich waren die Zimmer eingerichtet, mit „fließend Wasser“. Neben der Familie sollte ausreichend Platz (bis zu 20 Betten) für die Beherbergung von Feriengästen bestehen. Diese Möglichkeit hatten die Eheleute bewusst bei der Planung des Neubaus mit bedacht. Neben der Land- und Forstwirtschaft sollte dieser Erwerbszweig zu einer zusätzlichen Einnahmenquelle werden.

Erholungssuchende aus dem Ruhrpott

Die „goldenen“ zwanziger Jahre brachten wirtschaftlichen Aufschwung, der in der nahe gelegenen Ruhrmetropole in vielerlei Hinsicht spürbar wurde. Der Großteil der Menschen im Ruhrgebiet war im Steinkohle-Bergbau und in der Schwerindustrie beschäftigt. Harte Arbeit bestimmte ihr Leben und ihre Freizeit verbrachten viele Menschen zuhause in den Zechenkolonien. Der Begriff „Kohlenpott“, eine etwas abwertende Bezeichnung für diese Industrieregion an der Ruhr, hatte seine Berechtigung. Mit der vor Ort geförderten Steinkohle wurden nicht nur die Hochöfen befeuert, sie war lange Zeit neben Brennholz das einzige Heizmaterial in den Arbeitersiedlungen. Die mit Ruß und Kohlenstaub geschwängerte Luft belastete nicht nur die unmittelbar im Bergbau beschäftigten Menschen mit Atemwegsproblemen. Wenn es der Geldbeutel erlaubte, war es der Traum vieler: Ein paar Tage im Jahr Erholung auf dem Land. Das nahe gelegene Sauerland musste sich nur rüsten.

Der Tourismus im Sauerland entwickelte sich gemächlich in den zwanziger Jahren im Amt Eslohe. Es gründete sich der Verkehrs- und Kurverein, der sich in erster Linie dem Aufbau der Ferienregion im Amt Eslohe widmete. Gemeinsame Werbung in den Gazetten, die vornehmlich im Ruhrgebiet erschienen, verfehlte ihre Wirkung nicht. 



Das 1921 neu erbaute Wohnhaus diente eine Zeit lang der Beherbergung von Kur- und Feriengästen. Es wurde im Frühjahr 2015 abgerissen. Heute steht an dieser Stelle ein moderner Milchviehstall. Ein neues Wohnhaus wurde auf der gegenüberliegenden Straßenseite errichtet. 

rechtes Foto:  Das alte Wohnhaus mit seinen Nebengebäuden auf dem Giersen Hof. Im Vordergrund ein Durchlass aus dem das Wasser des Kränzgenbaches strömt.                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                       (Fotos: Ackermann um 1985)


Bescheidene Bedürfnisse nach heutigem Ermessen

Von dieser Werbung profitierte die Fremdenpension der Eheleute Pletzinger. Ihre Gäste fühlten sich in Lüdingheim wohl, fanden diese doch hier neben einer schmackhaften und ausreichenden Beköstigung das, was ihren Bedürfnissen entsprach: Saubere und frische Luft, Wälder und Felder, die ausgiebiges Wandern ermöglichte, Angeln am Teich, heitere Gesellschaft am Lagerfeuer, Singen und Spielen, Ausflüge in die nähere Umgebung. Die Erwachsenen ließen es sich nicht nehmen bei der Heuernte mit anzupacken und für die Kinder waren die Tiere auf dem Hof ideale Spielkameraden.

Zufriedene Gäste kommen immer wieder und sorgen auch für die Mundpropaganda, die bekanntlich eine kostenlose Werbung ist. Vielleicht wurde auch so die Familie Albrecht aus Essen-Schonnebeck auf die Pension Pletzinger aufmerksam. 

Die Brüder Karl und Theo Albrecht (Bildausschnitt aus Familienfoto um 1935)
Die Brüder Karl und Theo Albrecht (Bildausschnitt aus Familienfoto um 1935)

Beispielhafte Erinnerungen der „ALDI- Brüder“

 

Anfang der dreißiger Jahre waren die Brüder Karl und Theo mit ihrer Mutter wiederholt in Lüdingheim zu Gast. Der Vater reiste an den Wochenenden nach, da er das „mittelgroße“ Lebensgeschäft wochentags nicht aus den Augen lassen konnte. Die Familie Albrecht war damals eine von vielen, die ihre Ferienerlebnisse im Land der tausend Berge als etwas Besonderes erlebten und schätzten. Diese seltenen Tage und Wochen im Jahr verbanden sie mit ihren schönsten Kindheitserinnerungen. Sie sind deshalb beispielhaft und fänden die ungeteilte Zustimmung derjenigen, die auch in dieser Zeit solche oder ähnliche Ferienereignisse auf dem Land erlebten.

 

Auch Josef Blöink 4) erinnerte sich in späteren Jahren in seinen Gesprächen nur zu gern an die damals 11 – 13jährigen Brüder Albrecht, war er doch Anfang der dreißiger Jahre, kaum älter wie diese Burschen aus der Stadt. Mit ihnen spielte er Fußball auf der am Haus gelegenen Weide und heckte zusammen manche Streiche aus. Mit seinen Erzählungen darüber stieß er die Idee an, die nun zu Reichtum und Wohlstand, aber auch in die Jahre gekommenen Brüder anzuschreiben, um diese über ihre Ferienerlebnisse in Lüdingheim zu befragen. Der Versuch war es wert.

 

Und tatsächlich: Im Jahre 2006 antworteten die „Albrecht-Brüder“ nur wenige Wochen später in getrennt voneinander verfassten Schreiben 6). Erstaunlich, weil beide – wohl auch wegen eines Erpressung- und Entführungsfalls - es stets vermieden, der wissbegierigen Öffentlichkeit Einblicke in ihr Privatleben zu gestatten. Umso bedeutungsvoller erscheint da dieser Schriftwechsel.

 

Faszinierende Technik und Romantik auf dem Land

Josef Blöink auf dem Hof in Lüdingheim (Foto: Ackermann um 1985)
Josef Blöink auf dem Hof in Lüdingheim (Foto: Ackermann um 1985)

 

Für Karl Albrecht waren die Aufenthalte in der Pension Pletzinger ein „tolles Erlebnis“. Schon die Bahnfahrt ins Sauerland gehörte dazu, aber die Fahrt mit einem Automobil, mit welchem Pletzingers ihre Gäste vom Bahnhof (wahrscheinlich Haltestelle Freienohl) abholten, war schon etwas Besonderes. 

OPEL Automobil der Familie Pletzingen um 1934
OPEL Automobil der Familie Pletzingen um 1934

Auch Theo Albrecht, der jüngere der Brüder, hatte noch gute Erinnerungen an einige interessante Einzelheiten, wie die Tiere in den Stallungen und die kleine Werkstatt wo Schlosserarbeiten durchgeführt wurden. Aber für beide Brüder gleichermaßen der Erinnerung wert war der angelegte Teich hinter dem Wohnhaus.

Durch Lüdingheim fließt der „Kränzgenbach“, der oberhalb von Oberlandenbeck entspringt und nach gut fünf Kilometern in den „Esselbach“ mündet. Um die Energie dieses Gewässers zu nutzen, erstellte Joseph Pletzinger ein kleines „Energiezentrum“, das mit des Wassers Kraft für eigene Zwecke Strom erzeugte. Um nachhaltig den Strom nutzen zu können, installierte er bereits aufladbare Akkus. Karl Albrecht fand diese Technik „faszinierend“ und erinnert sich dankbar daran, dass Joseph Pletzinger ihm damals auf Nachfrage den Generator gezeigt und das Ganze ausführlich erklärt habe.

Spannend fand es der jüngere Bruder Theo im Nachhinein, dass er mit mehreren Jungen ein Floß bauen, es auf dem Teich zu Wasser lassen und darauf paddeln konnte.
Vielleicht ist es für die Leute vom Lande banal, aber für einen im Ruhrgebiet aufgewachsenen Jungen waren es nachhaltige Eindrücke. So schreibt Karl: „Manchmal lag ich an einem Hang in der Nähe der Pension im Gras und beobachtete den blauen Himmel. Ich erinnere mich an große Vögel, die lange in der Luft ihre Kreise zogen, ohne die Flügel zu schlagen. Dass es diese Nutzung des Aufwindes gab, das hatte ich vorher noch nicht bewusst wahrgenommen und wohl auch bis dahin nicht in der Schule gelernt.“ 

Die Frau des Hauses, Maria Pletzinger - hinten links - mit einer Schar Feriengäste vor der Eingangstür ihres Wohnhauses. Vor der Tür: links Josef Blöink, rechts sein Stiefvater Joseph Pletzinger
Die Frau des Hauses, Maria Pletzinger - hinten links - mit einer Schar Feriengäste vor der Eingangstür ihres Wohnhauses. Vor der Tür: links Josef Blöink, rechts sein Stiefvater Joseph Pletzinger

Gutes Preis- Leistungsverhältnis

Es wäre nicht der erfolgreiche Geschäftsmann Karl Albrecht, wenn er schlussendlich die Beweggründe nicht genannt hätte, die seine Eltern veranlassten, Lüdingheim und das Sauerland als Ferienort zu wählen:

„Weil es im Sauerland schön ist und die Entfernung nicht allzu groß war – und, das soll nicht verschwiegen werden: Ihr Haus hatte damals ein wirklich gutes Preis-Leistungsverhältnis. Das hat Mutter mehrfach betont.“ „Uns ging es nicht schlecht, aber wir mussten ganz schön rechnen. Da war ihr Haus gerade richtig.“

1935 bot die Pension Josef Pletzinger in Lüdingheim eine „einmalige Übernachtung“ für 1,50 RM (Reichsmark), dazu Frühstück mit 0,60 RM an. Die „volle Pension mit Zimmer“ kostete dem Gast 3,00 RM, ein „großes Wochenende“ 6,00 RM. Als Vorzüge der Pension wurden besonders hervorgehoben: die vorhandene Autohalle, Bad, elektrisches Licht, Gesellschaftsraum sowie Wasserspülung, herrliche Spazierwege und hervorragende deftige Mahlzeiten 7) 


Luftkurort und Zwangskurtaxe

 

Anfang Dezember 1935 erhielt der Kur- und Verkehrsverein in Eslohe über den Amtsbürgermeister die frohe Nachricht, dass aufgrund der Bestimmungen des Reichsfremdenverbandes für Heilbäder, Kurorte und Seebäder von zuständiger Stelle keine Einwände bestehen, dass Eslohe die Bezeichnung „Luftkurort“ tragen darf. Gleichzeitig ist aber ab 1. April 1936 eine Zwangskurtaxe in Höhe von 10 Pfennig je Tag von jedem Ortsfremden zu erheben, der sich länger als drei Tage in Eslohe aufhält.
Dieses Schreiben löste in Eslohe rege Aktivität aus um den neu erworbenen Titel in bare Münze umzusetzen. Doch selbstkritisch wurde festgestellt, dass der Fremdenverkehr im Sauerland zwar richtig in Mode gekommen ist, jedoch Eslohe bei der Schaffung von  Beherbergungsstätten  nicht ausreichend Schritt gehalten hat. Die Anzahl Esloher Pensionen war rückläufig, und das entgegen der wachsenden Nachfrage. Die Zahl der Übernachtungen ging Jahr für Jahr zurück. Das bereitete den Verantwortlichen große Sorge und es bestand auch die Einsicht, dass die Gäste mehr verlangen als ein Bett und das Essen. Einen gewissen Komfort will ein Gast, den er zu Hause hat, auch in der Sommerfrische nicht entbehren. Deshalb wurden die Pensionen dazu aufgerufen, die Einrichtungen ihrer Gästezimmer zu verbessern, aber auch Anstrengungen zu unternehmen um mehr Unterkünfte zu schaffen. Protokoll-Auszug 1938: „Wir brauchen uns wegen der Kurgäste keine Sorge zu machen, es kommen eine Menge Anfragen. Es muss nur unser aller Bestreben sein, dass wir in jeder Beziehung aufnahmebereit sind“.

Die Werbung: Worte und Taten in Einklang bringen

Eslohe vom Rehenberg aus gesehen, Foto um 1950
Eslohe vom Rehenberg aus gesehen, Foto um 1950

Mehr als saubere Straßen, Blumenschmuck, Kanalisation und ein neu instandgesetztes Flussfreibad war erforderlich: Das Einsehen der Bevölkerung, ihren Ort dem Fremdenverkehr zu öffnen um daraus eine weitere Erwerbsquelle zu erschließen und gut gemachte Werbung, damit Eslohe als aufstrebender Erholungsort über die Grenzen des Sauerlandes hinweg bekannt wird.
 „Das Juwel des Sauerlandes liegt inmitten herrlicher Wälder in einem lieblichen Tal, 311 Meter über dem Meere. Durch den freundlichen Ort, der weitläufig und luftig gebaut ist, führt die von prachtvollen Linden eingefasste Provinzialstraße Minden – Koblenz.“
Der von Begeisterung geschüttelte Verfasser dieser Zeilen beschreibt  so im Jahre 1936 den Luftkurort Eslohe, umringt durch Werbung für  namhafte Kurorte wie Bad Neuenahr, das „große rheinische Heilbad“. Es gelingt ihm, auf den wenig bekannten Ort durch eine frohe Beschreibung aufmerksam zu machen, gleichzeitig erfährt der interessierte Leser über vorhandene Einrichtungen und heute selbstverständliche Annehmlichkeiten:
„Durch und um Eslohe winden sich die forellenreichen Gebirgsflüsschen Essel, Salwey und Wenne. Das nahe Homertgebirge gibt dem abwechslungsreichen Landschaftsbilde einen herrlichen Hintergrund. Schöne Fernblicke erfreuen den Wanderer. Eslohe hat Quellwasserleitung und elektrische Beleuchtung. In Eslohe befinden sich ein Verwaltungs- und Polizeiamt, Postamt, zwei Ärzte, ein Zahnarzt, eine Apotheke und ein mit allen modernen Apparaten eingerichtetes Krankenhaus. Neben den Elementarschulen sorgen je eine höhere Knaben- und Mädchenschule und eine landwirtschaftliche Winterschule für die Fortbildung der Jugend. Für Touren in das Sauerland bildet Eslohe infolge seiner vorzüglichen Eisenbahn- und Wegeverbindungen einen begehrenswerten Ausgangs- und Rückkehrpunkt. Eslohe hat ein Flussbad. Auch bietet sich Gelegenheit für Angel-, Jagd- und Schießsport.“

Nach wie vor ist unsere relativ intakte Umwelt und die frische Landluft ein guter Grund für den gestressten Stadtmenschen,  Urlaub im Luftkurort Eslohe zu buchen. Und so schließt der Verfasser 1936 seinen Bericht mit dem wichtigen Hinweis:
 „Eslohe ist anerkannt als Luftkurort für Nervenschwache, psychisch Kranke leichter Natur, post-operative Schwächezustände, Blutarmut, Bleichsucht, nervöse Erkrankungen des Magens, des Darms und des Herzens, Erkrankungen der Atmungsorgane mit Einschluss von Lungenerkrankung leichter Natur."

Hintere Hofansicht in Lüdingheim (Foto: Ackermann um 1985)
Hintere Hofansicht in Lüdingheim (Foto: Ackermann um 1985)

Die Pension Pletzinger ist den Veränderungen nicht gewachsen

 

Der zuvor geschilderten Situation in den dreißiger Jahren des letzten Jahrhunderts folgten die schwierigen Kriegsjahre. „Bombenkurgäste“ strömten vermehrt ins Sauerland und zwar in solchem Ausmaß, dass massive Knappheit bei den Unterkünften bestand. Die Anfrage war so groß, dass die Pension Pletzinger ihre Gäste zur Übernachtung andernorts unterbringen musste. Die Probleme erhöhten sich zudem durch den Mangel an Arbeitskräften und das Fehlen von Tisch- und Bettwäsche und sonstigen Bedarf.


Um ein Ausufern der Preise zu vermeiden, wurde eiligst ein Preisstoppgesetz erlassen. Das traf aber die Pensionen hart, da die Preise bereits vorher zu niedrig bemessen waren. Denn so 1936: „Unterkunft in Gasthöfen, Fremdenpensionen und zahlreichen Privatwohnungen ist vorzüglich und preiswert. Der Durchschnittspreis pro Tag und Person beträgt bei vier Mahlzeiten 3,50 bis 5,00 Reichsmark.“

 

Auch die Pension Pletzinger in Lüdingheim litt unter dem Missstand des Preisdiktats aufgrund des neuen Gesetzes. Unter diesen von außen einwirkenden Einflüssen wurde die Entscheidung zur Aufgabe des Beherbergungsbetriebs für die Familie erleichtert. Auch die Familiensituation war nicht geklärt. Ein Generationenwechsel stand an, war aber zu diesem Zeitpunkt nicht entschieden.

Die Nachkriegszeit

 

Um 1953 lag im Amt Eslohe der Vollpensionspreis bei 6,50 bis 7,50 DM, selten darüber. Ein regelrechter Boom setzte in den Nachkriegsjahren ein. Durch die Einquartierung von Kriegsflüchtlingen gewöhnten sich die Einheimischen an das Zusammenleben mit fremden Menschen, die Bevölkerungszahl wuchs und eine rege Bautätigkeit setzte ein. Viele Private aber auch Bauernhöfe sahen eine zusätzliche Einnahmequelle in der Unterbringung von Feriengästen. Eine gute Entwicklung, die sich der Verkehrs- und Kurverein bereits in früheren Jahren erhofft hatte. Bis in die sechziger Jahre hinein konnte er in seinen Jahreshauptversammlungen von steigenden Gäste-, aber auch Mitgliederzahlen berichten.

Gut geführte, gastfreundliche Pensionen und Hotels finden sich seit je her in Eslohe und seinen Nachbarorten. Aber auch dieser Gewerbezweig wurde nicht vom Strukturwandel verschont. Nicht jeder Betrieb, insbesondere kleinere Pensionen, konnten den Veränderungen wiederstehen. Die Ansprüche der Erholungssuchenden haben sich vergrößert. Eine Urlaubsreise in das oft regennasse Sauerland kann kaum mit einem Billigflug in sonnige Mittelmeerländer konkurrieren. Dennoch werden seit Jahren enorme Anstrengungen unternommen, um das Sauerland als urlaubswerten Standort zu erhalten. So finden sich in der heutigen Gemeinde Eslohe komfortable Hotels und Pensionen, die mit ihrer Ausstattung und Leistung gegenüber den Erholungssuchenden ein in ihren Anfängen nie erahntes Ausmaß gefunden haben.

Seit 1976 ist Eslohe „staatlich anerkannter Luftkurort“, nachdem strengere gesetzliche Bestimmungen die Werbung als Luftkurort von einer neuen Überprüfung der Verhältnisse durch Klimagutachten und Erfüllung weiterer Auflagen abhängig machten. Die Rahmenbedingungen sind damit erfüllt. Aber nach wie vor ist der Erfolg des Fremdenverkehrs abhängig von einem gästefreundlichen Klima in der Gemeinde, herbeigeführt durch eine positive Grundeinstellung in der Bevölkerung gegenüber den Erholungssuchenden.


Hinweise:

 

1
In der Steuererhebung im dem Jahre 1536 zahlte Thoenes Gyße 3 Ort ( ¾ Goldgulden Schatzung). 1563 wird Thonniß Geße genannt, 1685 werden die Hofbesitzer Gierse genannt. Mit der Verheiratung der Hoferbin Maria Catharina Gierse mit dem aus Henninghausen stammenden Johannes Blöink verschwand der Name Gierse vom Hof. Der Hof wurde jedoch noch lange Zeit als „Giersen Hof“ bezeichnet.

2
Der älteste Sohn wurde am 7.8.1908 geboren und auf den Namen seines Vaters getauft: Johann Wilhelm. Nach dem Tod des Vaters wurde seine Mutter Eigentümerin des Hofes. Sie übergab ihm später den Hof als Erbe. Wilhelm heiratete 1950 Elisabeth (Elli) Fischer aus dem Nachbarort Isingheim. Wilhelm starb bereits vier Jahre später, am 27.9.1954 an einer Krebserkrankung. Aus der Ehe gingen jedoch zwei Töchter hervor (Agnes und Maria).

3
Die Tochter Agnes Blöink heiratete später nach Buckmann in Oedingen

4
Josef Blöink wurde am 29.10.1916 geboren. Er war noch zu klein als sein leiblicher Vater starb und konnte sich an diesen nicht erinnern. Joseph Pletzinger wurde sein Stiefvater. Nachdem der älteste Bruder Wilhelm 1954 verstarb, heiratete Josef die Witwe seines Bruders Elli Blöink, die Erbin des Hofes nach dem Tod ihres Mannes wurde. Aus dieser Ehe ging eine weitere Tochter hervor (Brigitte). Am 22.12.1991 verstarb Josef Blöink.

5
Hubert (* 16.8.1909) litt unter Krämpfen und starb nach wenigen Tagen (+ 27.8.1909) und die kleine Anna Maria (* 7.9.1910) wurde nur ein Jahr alt und starb, so wie ihr Vater später, am 9.10.1911 an einer Lungenentzündung.

6
Am 22.1.2006 schrieben Josef und Brigitte Gieß (Schwiegersohn und Tochter von Josef Blöink) die Brüder Albrecht in getrennten Schreiben an. Bereits am 6.2.2006 antwortete aus Essen Theo Albrecht in einem einseitigen Schreiben. Und es folgte ein etwas ausführlicheres, zweiseitiges Schreiben seines älteren Bruders Karl am 24.3.2006 aus Mülheim an der Ruhr.

7
Führer für Ferien, Urlaub und Erholung im Sauer-, Siegerland und Wittgenstein“, herausgegeben im Jahr 1935 vom Landesverkehrsverband Westfalen e.V., mit Sitz in Dortmund. Unter der Rubrik „Eslohe“ (einschließlich der dazugehörigen Nebenorte) sind insgesamt 24 Beherbergungsbetriebe aufgeführt, davon 22 Pensionen und 2 Hotels.

Ergänzung:

Joseph Pletzinger starb  1965. Seine wesentlich ältere Ehefrau Maria überlebte ihn um zwei Jahre. Sie starb im Sommer 1967. 

Danke!

 

 

Ich bedanke mich bei den Eheleuten Josef und Brigitte Gieß, Sundern- Endorf für die Überlassung von Bildmaterial und Informationen für diesen Bericht. 



Die Privatpension der  Eheleute Franz und Anna Sternberg in Sallinghausen

Nach Zählung der Kurgäste am 11.August 1934 befanden sich 32 Personen dort in Sommerfrische. Sternberg warb im Hausprospekt mit Zentralheizung, Liegewiese und Angelsport nahe an Wald und Wasser im stillen Mühlental und versprach einen staubfreien und ruhigen Erholungsaufenthalt.  Mehr über die Geschichte der Pension und dem Mühlengut in Sallinghausen erfährst Du in diesem Beitrag.

Ferienidylle: Pension Sternberg in Sallinghausen
Ferienidylle: Pension Sternberg in Sallinghausen
Des Wanderers Blick vom Henneberg hinunter auf das Dorf
Des Wanderers Blick vom Henneberg hinunter auf das Dorf