Alte Höfe in "Overen Bremschedt"


Die von Eslevens und die Volmars

Die von Eslevens und die Volmars und ihre Geschichte; sie handelt von verhexten Rittern und verzauberten Nachbarn, ertragreichen Hochzeiten und Kinderehen, von verwegenen Haudegen und Dragonern, von Rittmeistern und Rentmeistern, von Witwen und Waisen und tragischen Tragödien und Schicksalen. 

Das Foto zeigt den Ort Bremscheid, wie wir ihn heute kennen: Eine Streusiedlung zwischen Eslohe, Isingheim und Hengsbeck. Mittelpunkt ist die ehemalige Gutskapelle.
Das Foto zeigt den Ort Bremscheid, wie wir ihn heute kennen: Eine Streusiedlung zwischen Eslohe, Isingheim und Hengsbeck. Mittelpunkt ist die ehemalige Gutskapelle.

Wenn ich Dich neugierig gemacht habe, nimm dir Zeit und begib dich auf eine Reise in die Vergangenheit, tauche ein in mehr als vierhundert Jahre Geschichte des „oberen Teils“ des Ortes Bremscheid, der einst nur von zwei Höfen besiedelt war: Da ist das Rittergut der Adelsfamilie von Esleven und in Sichtweite, nur vom Bachlauf der „Essel“ getrennt, die Hofstelle der Familie Volmar. (siehe nachstehende Dateien Teil I und Teil II zum Download)

 

Eine nachbarschaftliche Verbundenheit sollte man voraussetzen; jedoch war das Verhältnis der Bewohner zueinander, so geht es aus den Annalen hervor, nicht immer ungetrübt. So unterschiedlich die Geschichte dieser „Ur-Höfe“ im Dorf „Overen Bremschedt“ (Ober-Bremscheid) ist, so unterschiedlich war auch die Lebensweise seiner Bewohner: Die von Volmars Hof, arbeitssame Bauern, sicherten ihr Dasein mit harter und entbehrungsreicher Arbeit, leisteten ihren Tribut, ihre Abgaben an Kirche und Lehnsherren und setzten alles daran, ihr Hab und Gut an die nächste Generation weiterzureichen. Doch nebenan residierte eine Adelsfamilie auf ihrem Rittergut mit weitreichenden Kontakten ins Establishment, waren von Schatzungen befreit und pflegten lange Zeit die Leibherrschaft. Irgendwann war dieser Ort nicht mehr ihr Lebensmittelpunkt, ihr Gut wurde zur Last, zu einem Spekulationsobjekt. 


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Teil I Höfe Oberbremscheid - Volmars Hof
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Teil II Höfe Oberbremscheid - Rittergut.
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Diese Aufsätze werden von mir im PDF-Dateiformat zum Download und Ausdruck zur Verfügung gestellt.

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nach ausdrücklicher Genehmigung des Urhebers erlaubt:   (C) Wilhelm Feldmann

Es braucht immer einen Anstoß

 

Aufmerksam und somit interessiert für die Geschichte wurde ich nach einer Anfrage von Georg Vollmer, der so wie ich seit Jahren ein „Amateur-Historiker“ ist. Er hat die Chronik seines Dorfes Bönkhausen, einem kleinen Dorf bei Sundern, geschrieben und in einem Buch veröffentlicht. Seine Vorfahren stammen – man wird es ahnen – aus Volmars Hof in Ober-Bremscheid. Und dahin zielte seine Nachfrage, denn seinem Puzzle waren noch ein paar Steine hinzuzufügen. Nur zu gerne wollte und konnte ich helfen. 

 

Und da war noch ein kleines Büchlein, dass in meinem Bücherschrank seit einigen Jahren einen Platz einnimmt. An dieses konnte ich mich in diesem Zusammenhang erinnern, denn dessen Inhalt beschreibt eine Auseinandersetzung zwischen den Protagonisten unseres Bühnenstücks inmitten einer dunklen Zeit des Mittelalters. Die 2019 verstorbene Historikerin Dr. Magdalena Padberg aus Eslohe hatte sich der Mühe unterzogen und einen außergewöhnlichen Gerichtsprozess beschrieben, der sich in den ersten Jahren des 17. Jahrhunderts im „overen Bremschedt“ abspielte und fast zehn Jahre währte.

 

Dieser Prozess, der das oberste weltliche Gericht des Sauerlandes in Arnsberg beschäftigte, geht als „Hexenprozess von Esleve contra Volmers/Hoberg“ in die Geschichte ein. Die langatmigen Beschreibungen der Prozessprotokolle und Verhandlungen werden manchen Leser davon abgeschreckt haben, sich den vollständigen Buchinhalt zu Gemüte zu führen; für den Historiker jedoch birgt er wertvollen Stoff der Lokalgeschichte. 

 

Volmars Hof in Ober-Bremscheid (heute: Böhmer) Foto um 1920
Volmars Hof in Ober-Bremscheid (heute: Böhmer) Foto um 1920

Dieser Stoff ist ein Spiegel dieser Zeit

 

Er ist dennoch ein Spiegel dieser Zeit des Mittelalters in Europa, in der sich der Teufelsglaube aus dem frühen Christentum mit abergläubischen Vorstellungen von Zauberern, Hexen und Dämonen ergänzten. Stand die römische Kirche in den Anfängen noch auf dem Standpunkt, dass Hexerei eigentlich ein geistiger Irrtum sein, so vertrat sie erst im Zuge der Verfolgung von Glaubensabweichlern eine veränderte Meinung: Die Hexerei sei real. Die Bulle von Papst Innocenz VIII gab 1484 das Signal für eine gnadenlose Massenverfolgung, in deren Verlauf es zu einer Flut von Prozessen und Exekutionen kam. 

 

Der Hexenglaube haftete nicht nur dem gemeinen Volk an; er spielte auch dem Adel und den Klerikern in die Hände, die darin ein Instrument der Macht über die Menschen sahen und es auch zu nutzen wussten. Verleumdungen und Bezichtigungen, auch unter Nachbarn, waren Tür und Tor geöffnet. Die Hexenprozesse hatten ihren Höhepunkt im 16. Jahrhundert und reichten fast bis zum Ende des 17. Jahrhunderts. Es mehrten sich zaghaft die Stimmen, die sich gegen Folter und den tausendfachen Tod auf dem Scheiterhaufen erhoben. Wenn sie auch in ihren Anfängen anonym geschahen, so wie es der Jesuitenpater Friedrich Spee von Langenfeld 1631 in seiner Schrift „Cautio Criminalis“ tat, so setzten sich die Aufklärer – wenn auch viel zu spät - durch. Man schätzt, dass zwischen dem späten 15. und dem 18. Jahrhundert in ganz Europa rund 60.000 Frauen und Männer im Hexenwahn hingerichtet wurden. 

Hier stand ehemals das Rittergut von Esleve. (Heute: Wohnstätte der Familie Bürger)
Hier stand ehemals das Rittergut von Esleve. (Heute: Wohnstätte der Familie Bürger)

Wie umgehen mit dem Unglück?

 

Wenn nun der Rittergutsbesitzer Herman von Esleve und seine Söhne Dietrich und Christoph im Jahre 1605 die Nachbarin Margarethe Volmar und auch Christian Hoberg, Gutsbesitzer aus Eslohe, der Zauberei und Hexerei bezichtigen, so ist das für diese Zeit kein sonderliches Vorgehen. Es bleibt die Frage offen, ob von Esleve die Stigmatisierung dieser Menschen bewusst in Kauf nahm, weil er daran keinen Zweifel hegte, dass sie zauberische Kräfte haben. Trieb ihn die echte Furcht davor, dass sie ihm und seiner Familie weiteren Schaden zufügen könnten?

Denn schließlich ging es um sein persönliches Unglück, die Missernten, der Hagelschlag, das Viehsterben und das kranke, vielleicht behinderte Kind für das er schon jetzt die beiden anklagte. Was würde noch geschehen, wenn er jetzt nicht handelte? 

 

Foto aus dem Jahre 1915
Foto aus dem Jahre 1915

Oder wollte er ihnen bewusst schaden und dem Feuer preisgeben, weil er das Glück und den Erfolg auf Volmars und Hobergs Höfen neidete? Er war sich wohl im Klaren, dass seine Anklage grausame Folter, sogar den Tod der Angeschuldigten bedeuten würde, denn er nennt im Prozess selbst Beispiele aus der nächsten Umgebung: die Tewesche aus Isingheim und eine weitere Isingheimerin sind in Brilon verbrannt worden. Und er beschwört den Kurfürsten „das Unkraut der Zauberei“ nun erneut auszurotten. 

 

Die Eheleute Volmar, wie auch Hoberg, wehren sich mit Hilfe eines unerschrockenen Anwalts erfolgreich gegen die Anschuldigungen des Hermann von Esleve in einem nervenzermürbenden und lange währenden Prozess, der zwei Kurfürsten und einen deutschen Kaiser einband. Sie werden letzten Endes niemals angeklagt. Margarethe Volmar gewann nach Jahren des Bangens ihren Leumund zurück, starb nicht auf dem Scheiterhaufen und erzielte so vor über vierhundert Jahren, als Frauen noch als Menschen zweiter Klasse galten, einen bemerkenswerten Sieg gegen einen Mann, einem Rittergutsbesitzer und somit Adeligen.  

Wer nun glaubt, Hexenverfolgung und Teufelsaustreibung wären nur eine Sache des Mittelalters, der irrt. Noch heute werden Menschen, z.B. in Tansania, wegen vermeintlicher Hexerei von Dorfgerichten angeklagt und getötet. Hexenverfolgungen sind deshalb kein historisches Problem, sondern ein brennendes Problem unserer eigenen Gegenwart. 



Standort des ehemaligen Rittergutes v. Eslohe. Im Hintergrund steht Volmar's Hof.
Standort des ehemaligen Rittergutes v. Eslohe. Im Hintergrund steht Volmar's Hof.

Doch zurück zur Geschichte der Höfe

 

Nach Einsicht in die mir zugänglichen historischen Quellen, wurde schnell klar, dass der zitierte Hexenprozess nur ein kleiner Ausschnitt des Fensters ist, durch das ich schauen darf. Das Glas ist im Laufe der Zeit an vielen Stellen blind und rissig geworden und lässt oft nur Konturen sichtbar werden. So bleiben dem Chronisten zwischen klaren beweisbaren Fakten offene Räume, in denen nur Vermutungen und freie Interpretationen ihren Platz finden. Die aber, so ist die Regel, müssen als solche klar erkennbar und bezeichnet sein. 

 

Geschichte erfahren und erforschen findet an meinem Schreibtisch statt. Dennoch komme mir vor wie ein Höhlenforscher, der sich hinablässt in ein tiefes unterirdisches Loch. Dort, im Licht seines Scheinwerfers, trifft er auf Unerforschtes was den Reiz seines Tuns ausmacht. Oft sieht er kein Fortkommen im Labyrinth der Gänge, doch plötzlich tut sich ein schmaler Spalt auf hinter dem sich Unterwartetes verbirgt. Und das offenbart oft Dramatisches, wie das was auf Volmar's Hof einst geschah. 

 

Das macht noch heute betroffen und nachdenklich:

 

Da stirbt eine junge Mutter, wohlmöglich während der Geburt eines Kindes – wie so oft in dieser Zeit. Und ihr Gatte folgt ihr im Tode, keine vier Wochen später. Er hinterlässt Schuldscheine und drei elternlose Kinder – das Jüngste zwei Jahre alt – der verwitweten und somit alleinstehenden und hilflosen Großmutter. Wohl von der Not gezwungen, geht sie mit über fünfzig Jahren eine neue Ehe ein: Hilfe für die Elternlosen, Hilfe für den Hof. Und als sie dann an heftigem Fieber stirbt, geht die fünfzehnjährige Enkeltochter - mit ausdrücklichem Segen der Kirche – eine „Kinderehe“ (siehe jedoch mein Hinweis unten) ein. Die aber war gesegnet durch die Geburt von vierzehn Kindern, gemäß dem Bibelspruch „Seid fruchtbar und mehret euch…“. Diese Frau schließt ihre Augen nach einem schicksals- und arbeitsreichen Leben im Alter von 71 Jahren. Der Pastor schrieb ins Kirchenbuch: „Gestorben an Altersschwäche“. Was für eine Frau, was für ein Leben? 

 

Auch das ist mein Antrieb: Geschichte erfahren und spüren. Solche Schicksale berühren und rücken immer wieder unsere Gegenwart ins rechte Licht. Vielleicht verstehst du und nimmst Anteil an der Geschichte der Höfe im „Overen Bremschedt“ (siehe PDF-Dokumente zum Download oben) 


Aufbauend auf den Aufsatz über die Geschichte des Ritterguts in Ober-Bremscheid (siehe Teil II oben) beschäftigt sich die nachfolgende Seite mit der Besiedlung der "Hengespe" und geht auf einzelne Familiengeschichten der dort ansässigen Siedler ein. 

        Benutze dazu den Link auf diese Seite: 



Hinweis zum heutigen Begriff der "Kinderehe" (Siegbert Tillmann in Esloher Museumsnachrichten 2020, Seite 47):

 

Früher wurde der Begriff "Kindheit" anders definiert wie heute. Bis zum Ende des 6. Lebensjahres handelte es sich um Infantes, also Kinder, die noch nicht richtig sprechen konnten. Ab dem 7. bis zum 12. Lebensjahr bezeichnete man sie als puer/puella (Knabe/Mädchen), die schon als Arbeitskräfte eingesetzt wurden. Die Adoleszens (lat. adolescentia) begann bei Mädchen mit dem 12. und bei Jungen mit dem 14. Lebensjahr. Dann waren sie strafmündig und durften heiraten! Die sogenannte sittliche Reife erlangten sie aber erst mit 21 Jahren. Dann durften sie unbeschränkt ein Erbe antreten oder Verträge abschließen.