Das "Blanken Haus" und seine Bewohner


Einst wohnstätte des Dorfschäfers ?


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(C) Wilhelm Feldmann

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Seit im Jahre 2018 der Schultenhof durch die Schaufel eines Abrissbaggers sein jähes Ende fand, fällt nun ins Auge, was Stall und Scheune nahezu 170 Jahre lang (seit ca. 1850) verdeckten. Das Wohnhaus in Sallinghausen mit der Hausnummer 8 des Nachbarn Manfred Schulte kam aus seinem Schatten heraus und dessen Bewohner haben nun eine ungewohnte, aber freie Sicht ins Dorf und auf das Tal der Salwey. Es ist schon eine Zeitlang her, als Manfred Schulte begann, auf den Grundmauern eines zuvor dort stehenden kleinen Hauses, für sich ein neues Wohnhaus zu errichten.  Das war im Jahr 1967 und ein Jahr danach konnte eingezogen werden. 1982 folgte ein Anbau und seitdem zeigt sich das neue „Blanken Haus“, so hieß es damals im Dorf, so wie es heute von der Dorfstraße aus frei sichtbar ist. 

Seit Manfred und seine Familie ihren Platz im Dorf gefunden haben, werden sie „Blanken-Schulte“ genannt, denn der Nachname „Schulte“ ist bekanntlich im Sauerland Gang und Gebe, ebenso wie die Verwechslung der vielen Schulten. Und das ist auch in dem kleinen Dorf Sallinghausen nicht anders, obwohl sie nicht oder nur weit miteinander verwandtschaftlich verbandelt sind. Ein Namenszusatz war stets hilfreich. Und die nachfolgende Geschichte eines ehemaligen Schäferhauses und seiner Bewohner wird Licht darin bringen, warum Manfred Schulte zu seinem Namenszusatz kam. 

Kurios:  Das Grundstück gehörte zu Mathweis Hof

Noch vor der Flurbereinigung, die im Jahre 1927 durchgeführt wurde, war die angrenzende und heute zum Grundstück des Manfred Schulte gehörende Fläche zugehörig zum Hof Mathweis, obwohl dieser seit Menschengedenken auf der gegenüberliegenden Seite des Salweybaches und am anderen Dorfrand seinen Standort hat. Auch wenn der Schultenhof und gleichermaßen Nurks Hof mit ihren Grundstücken direkt angrenzen, so darf einen das trotzdem nicht verwundern. Im Laufe der Jahrhunderte fanden durch Tausch, Kauf oder Erbschaft viele Flächen einen neuen Besitzer und es waren oft kuriose Umstände, die zu einem Eigentumswechsel führten. Es sollen auch schon einmal Spielschulden gewesen sein, die zu einem spontanen Übergang eines Besitzes geführt haben. Wir wissen nicht, warum Mathweis Eigentümer war. 

 

Aber aus verschiedenen Schriften wird erkennbar, dass Mathweis stets die größten Befürworter für eine gemeinschaftliche Schafhaltung im Dorf waren und sich für deren Erhalt einsetzten. Und da war es erforderlich, dass die im Dorf ansässigen Dorfschäfer mit ihren Familien auch ein Obdach erhielten. Der Chronist Heinrich Heymer stützt sich in seinen Aufzeichnungen auf die Überlieferung, indem er daraus schließt, dass das 1967 abgerissene alte Wohnhaus, dessen Errichtung er im Jahre 1757 nennt, ursprünglich dem Dorfschäfer zwecks Behausung von der Gemeinheit oder von Mathweis zur Verfügung gestellt wurde. Wahrscheinlich ist, dass an gleicher Stelle bereits vor 1757 ein Vorgängerbau bestanden hat, der den jeweils beschäftigten Schafhirten zur Unterkunft diente. 

Ausgespart aus Mathweis Grundstück ist eine kleine unbedeutende Fläche, direkt anschließend an den damals einzigen Verbindungsweg zum Wenne-Tal. Auch die preußische Ur-Karte von 1830 zeigt diese Fläche, auf der sich gerade einmal das Haus und ein kleiner Garten befindet. In einer jüngeren Flurkarte aus dem Jahre 1907 weist diese Teilfläche den Namen des späteren Hausbesitzers namens Molitor aus und auch das übrige Grundstück steht zu diesem Zeitpunkt noch im Eigentum des Mathweis. 

Ausschnitt aus der Preußischen Ur-Karte von 1830
Ausschnitt aus der Preußischen Ur-Karte von 1830
Flurkarte Sallinghausen von 1907 (Verhältnisse vor der Flurbereinigung)
Flurkarte Sallinghausen von 1907 (Verhältnisse vor der Flurbereinigung)

Sehr wahrscheinlich ist, dass Mathweis sehr früh diesen kleinen Teil seines Grundstückes zur Verfügung stellte, um darauf das Schäferhaus errichten zu lassen. Ob er es der Allgemeinheit geschenkt hat oder auf eigene Kosten darauf das bescheidene Haus für den Schäfer errichten ließ, um es zweckbestimmt zu nutzen, kann nicht mehr geklärt werden. Doch irgendwann entschied man sich zum Verkauf des Hauses und ein Interessent wurde gefunden. Man schrieb mutmaßlich das Jahr 1807, als Mathweis und/oder die Beteiligten einen Kaufvertrag mit dem Erwerber unterzeichneten. 


Die Familie Blanke in Sallinghausen und ihre Herkunft

 

Es ist eine Eintragung im Esloher Copulationsbuch, die sich auf einen Friedrich Blanke bezieht. Dieser, soll vormals ein „conversus“ (latein), also ein Novize in einem Kloster in Hannover gewesen sein. Noch kein Gelübde abgelegt, entschied er sich für ein weltliches Leben und heiratete am 24.02.1767 eine Anna Maria Elisabeth Wienhoff. Diese muss kurze Zeit nach der Eheschließung verstorben sein, sodass der Witwer am 20.01.1771 die zweite Ehe mit Elisabeth Lambert aus Eslohe einging. Ihr Wohnort soll Sieperting gewesen sein. Fest steht, dass aus dieser Ehe ein Sohn hervorging: 

 

Franz Blanke wurde dort geboren am 20.01.1772. Dieser wiederum heiratete am 07.09.1807 die Theresia Schulte gnt. Kirchhoff, geboren am 09.07.1787 in Isingheim; Tochter des Caspar Schulte und Elisabeth, geb. von Esleben (01).

 

Die Eheleute treten um 1807 in Sallinghausen als Käufer auf und erwerben das kleine Wohnhaus, welches nach Angabe des Heinrich Heymer im Jahre 1757 erbaut worden sein soll. Der „erste Blanke“ soll auch auf dem Hof Mathweis Tagelöhner, vielleicht auch Dorfschäfer gewesen sein. Letzteres ist zweifelhaft, da in den Kirchenbüchern Franz Blanke als „Tagelöhner, Leineweber und Beisasse“ bezeichnet wird. Auch ist der Annahme zu widersprechen, dass Mathweis dem Blanke den Hausplatz im Ufer geschenkt habe, damit dieser dort sein Haus bauen könne. Das Haus stand bereits, als die Familie Blanke ins Dorf kam. Mathweis soll sein übriges Grundstück, das aus einem Apfelhof nebst Garten und ein Stück Ackerland bestand, an den Blanke verpachtet haben (02). 

 

Aus der Ehe der Eheleute Franz und Theresia Blanke gingen folgende Kinder hervor: 

 

1. Johann Ferdinand Blanke, geb. 03.03.1808, Haus-Erbe, wanderte 1852 mit seiner Familie nach Amerika aus

2. Caspar Anton Blanke, geb. 17.10.1810, gest. 4-jährig, am 28.07.1815 an „Auszehrung“

3. Johann Joseph Blanke, geb. 12.07.1813, wanderte um 1833 nach Amerika aus

4. Johann Blanke, geb. 31.03.1816

5. Johann Anton Blanke, geb. 15.07.1819, war von Beruf Schuster, heiratete am 11.05.1847 Theresia Hütter aus Ndr. Salwey (geb. 26.05.1822,

        Eltern: Adam Hütter, Leineweber u. Gertrud, geb. Padberg), starb in Ndr.Salwey 27.08.1903

6. Christina Blanke, geb. 29.11.1822

7. Maria Catharina Blanke, geb. 18.05.1828

Sie waren "verschämte Arme"

Das "Blanken Haus" im Hintergrund zwischen dem Schultenhof (links) und Feldmanns Hof (Foto um 1945)
Das "Blanken Haus" im Hintergrund zwischen dem Schultenhof (links) und Feldmanns Hof (Foto um 1945)

Der Pfarrer Joseph Cramer trat 1822 in Eslohe seine neue Pfarrstelle an. Ihm lag das Schicksal der Bedürftigen in seinem Kirchspiel am Herzen und sorgte dafür, dass der sog. „Armenvorstand“ in Eslohe um weitere Vertreter aus den Dörfern erweitert wurde. Für Sallinghausen schlug er Joseph Wüllner (1791-1833), Bauer auf Nurks Hof vor. Anlässlich einer Patronatsmesse zum Heiligen Antonius in Sallinghausen überreichte der Pfarrer dem Joseph Wüllner einen Geldbetrag aus dem Armenfonds zur Weitergabe an die Familie Blanke. Den Wüllners war die Armut, die im Nachbarhause herrschte, nicht entgangen. Vermutlich schämten sich diese, um Almosen zu bitten, obwohl die Not groß gewesen sein muss (03).  

 

Am 20.11.1828 starb der Vater Franz Blanke im Alter von 56 Jahren an Engbrüstigkeit, sodass der erst zwanzig Jahre alte Ferdinand die Geschicke der Familie in die Hände nehmen musste. Auch er fristete, wie der Vater es tat, sein Dasein als Leineweber und Tagelöhner. 

 

Sein jüngerer Bruder, der am 12.07.1813 geborene Joseph Blanke, sah für sich keine Zukunft in der Heimat. Als einer der ersten im Kirchspiel, vermutlich im Jahre 1833, machte er sich auf den Weg nach Amerika und fasste Fuß in Detroit im Staate Michigan. Er wurde dort Wegbereiter für die zurückgelassene Familie. 

 

Am 18.05.1837 heiratete Ferdinand Blanke in der Esloher Pfarrkirche die Margaretha Schmidt, geboren am 04.08.1812 als Tochter des Zimmermanns Johann Schmidt und dessen Frau Elisabeth Happe in Lochtrop.  

 

Fünf Kinder wurden in der Folge in Blanken Haus in Sallinghausen geboren: 

 

1. Joseph Blanke, geb. 15.02.1838

2. Johann Blanke, geb. 13.04.1841

3. Franz Anton Blanke, geb. 25.05.1844

4. Carl Eberhard Blanke, geb. 02.10.1847

5. Maria Theresia Blanke, geb. 03.08.1850 

 

Die Verbindungen zu dem Bruder Joseph in Amerika waren nicht abgerissen. Briefe kündeten von den Möglichkeiten in Übersee und in der Stadt Detroit hatte sich schon eine kleine Gemeinde von Sauerländern um die St. Joseph’s Kirche gebildet. Im Jahr 1850 war auch Joseph Wüllner von Nurks Hof dorthin ausgewandert. Auch er fand in der Heimat als gelernter Stellmacher keine Arbeit. Amerika wartete förmlich auf diesen jungen Mann, der es dort später zu Reichtum und Ansehen brachte (04). 

Ferdinand und seine Frau Margaretha fassten schließlich den schwerwiegenden Entschluss, ihr Hab und Gut zu verkaufen und den Weg nach Amerika zu wagen. Am 17. Januar 1852 erschien ihre Verkaufsanzeige im Mescheder Kreisblatt mit folgendem Text: „Da ich gesonnen bin nach Amerika auszuwandern, so will ich am Dienstag, den 27.d.Mts., morgens 9 Uhr, mein Wohnhaus nebst Garten und Hofesraum, Dünger und Fettung, öffentlich an den Meistbietenden verkaufen, wozu Kauflustige hiermit eingeladen werden. Sallinghausen, den 12. Januar 1852 – Ferdinand Blanke“ (05).

 

Schließlich konnte Ferdinand Blanke sein Besitztum in Sallinghausen „an den Mann bringen“ und machte sich mit seiner Familie – das jüngste Kind gerade erst zwei Jahre alt – auf die gefahrenvolle Reise. Sie kehrten ihrer Heimat für immer den Rücken. Weil Dampfschiffe 1852 noch nicht erfunden waren, bestieg die Familie in Hamburg oder Bremerhaven einen Segler, der sie mit günstigem Wind nach Amerika bringen sollte. Noch heute ist ihr Name im Dorf präsent, wenn es heißt: „Blanken Haus“ oder „Blanken-Schulte“.


Nur für ein Leben lang: Die Osebold's in "Blanken Haus"

Es hatte sich auf die Verkaufsanzeige des Ferdinand Blanke hin in Sallinghausen ein „Kauflustiger“ eingefunden. Der 29 Jahre alte Johannes Osebold aus Wenholthausen (dort geboren im Jahre 1823) erhielt den Zuschlag. Ob dieser sich gegen weitere Bewerber durchsetzen musste und wieviel Taler er dem Blanke zahlte, ist nicht bekannt. Johannes Osebold sah in diesem kleinen bescheidenen Haus, welches mit einem ebenso kleinen Flecken Erde umgeben war, den Grundstein für seine Zukunft. Er träumte davon, hier eine Familie zu gründen und ein auskömmliches Leben zu führen. Auch wenn die Erwerbsmöglichkeiten in dieser Zeit knapp waren, so war er doch von Haus aus an eine bescheidene Lebensführung und schon seit frühester Kinderzeit an harte Arbeit gewöhnt. Schon die Großeltern Franz Osebold und Elisabeth, geb. Schulte, wohnten in der Mathmecke und stellten ihre Arbeitskraft als Tagelöhner bei den Bauern zur Verfügung. Auch Johannes Eltern war kein anderes Schicksal beschieden gewesen. Der Vater Joseph Osebold (geb. am 26.12.1785 in Wenholthausen, heiratete am 10.02.1822 in Wenholthausen die Maria Josepha Drees, geb. am 28.03.1791 in Wormbach als Tochter des Peter Drees und Catharina N.) verdingte sich lt. Eintragung im Kirchenbuch als Tagelöhner. 

Die Schwestern Gisela und Marlies Deichmann in Feldmanns Garten, im Hintergrund Blanken Haus (Foto 1953)
Die Schwestern Gisela und Marlies Deichmann in Feldmanns Garten, im Hintergrund Blanken Haus (Foto 1953)

Mit seiner Hände Arbeit und einer großen Portion Optimismus richtete sich Johannes nun in seinem eigenen Heim in Sallinghausen ein. Am 28.04.1853 ging er mit seiner Verlobten Casparina Dreyer in der Pfarrkirche in Eslohe unter den Augen der Trauzeugen Eberhard Schulte und Lehrer Hesse die Ehe ein. Die Braut stammte aus Mülsborn (Pfarrei Calle) und war dort am 27.11.1820 als Tochter des Bauern Anton Dreyer und dessen Ehefrau Gertrud Friedrichs (Heirat am 30.10.1810) geboren. 

Schon bald kündigte sich die Geburt ihres ersten Kindes an. Am 11.06.1854 kam die Tochter Theresia Osebold nach einer schweren Geburt auf die Welt. Doch die Mutter Casparina erholte sich nicht und starb an „Abzehrung“. Johannes stand dem allen hilflos gegenüber und gab das kränkelnde Kind in die Obhut seiner Schwiegereltern nach Mülsborn. Monate später verschied dort die kleine Theresia am 20.05.1855.  

 

Johannes nahm seinen Vater Joseph Osebold, der verwitwet war, mit in sein Haus. Dieser starb hier bereits am 27.01.1856 im Alter von 71 Jahren an Altersschwäche. Auch Johannes ledige Schwester Elisabeth, die am 26.07.1828 in Wenholthausen geboren war, erhielt bis zu deren Tode Unterkunft in Sallinghausen. Sie starb am 04.07.1892 an einer Lungenentzündung.  

Johannes Osebold ging am 29.06.1855 eine zweite Ehe ein. Maria Anna Müller war zum Zeitpunkt der Eheschließung bereits 35 Jahre alt. Sie wurde 1820 in Eslohe geboren als Tochter des Tagelöhners Joseph Müller und dessen Ehefrau Elisabeth, geb. Schulte. Als Trauzeugen werden Franz Reeke, Mathilde Hörder und Heinrich Harlinghausen im Copulationsbuch der Pfarrei Eslohe genannt.

 

Am 18.03.1856 wurde ein kleiner Junge geboren, den sie den Namen Johann gaben. Doch auch dieses Kind starb wenige Tage nach der Geburt am 26.03.1856. Krämpfe waren die Todesursache. 

 Dann wurde am 07.01.1858 eine Tochter geboren und auf den Namen Maria Sophia Walburga Osebold getauft. Erst Jahre später kündigte sich die Geburt eines weiteren Kindes an. Anna gebar im Alter von 47 Jahren einen kleinen Sohn, der am 07.04.1867 das Licht der Welt erblickte. Auch dieser erhielt, wie sein verstorbener Bruder, den Namen des Vaters: Johann  

 

Johannes Osebold war Tagelöhner und schien kein Handwerk erlernt oder ausgeübt zu haben. Das Abrechnungsbuch des Franz Wüllner, Eigentümer von Nurks Hof, weist auf vielen Seiten die über Jahre getätigten Arbeiten aus, die Johannes und seine Ehefrau Anna gegenüber dem Nachbarn gegen Entgelt in der Landwirtschaft geleistet haben. Johannes wird darin als „Tagelöhner“ bezeichnet. Franz Wüllner war wegen seiner geschwächten und labilen Gesundheit darauf angewiesen, dass Tagelöhner ihm bei der Bewirtschaftung des Hofes behilflich waren. 

Dass dieser und seine 1860 geehelichte Frau Antonette, geb. Feldmann aus Heiminghausen, ihre Nachbarn schätzten, beweist eine Eintragung in seinem Abrechnungsbuch:  Am 28.12.1863 war die Mutter des Bauern gestorben (06). Wie es damals üblich war, wurde ihr Leichnam im Hause aufgebahrt. In den nachfolgenden zwei Tagen wurde die Totenwache gehalten, an der sich neben den Familienangehörigen auch Osebolds als Nachbarn beteiligten (07). 

Blanken Haus im Jahr 1926 mit Angehörigen der Familie Molitor
Blanken Haus im Jahr 1926 mit Angehörigen der Familie Molitor

Auch auf dem benachbarten Schultenhof waren die Angehörigen der Familie Osebold willkommene Helfer in der Landwirtschaft und auf dem Hof. Die Tochter Sophia stand über viele Jahre dort im Dienstverhältnis. Sie pflegte in den letzten Jahren ihre kränkliche Mutter, fühlte sich aber für den Ordensdienst berufen. Als im Jahr 1895 die Mutter im Krankenhaus in Meschede starb und der Vater Johannes ihr noch im selben Jahr im Tode folgte, - er starb am 21.10.1895 an einem Blasenleiden -, erfüllte sie sich ihren lang gehegten Wunsch. Sie trat als Laienschwester dem Orden der Armen Franziskanerinnen in Olpe bei. Dort starb sie hochbetagt im Jahr 1943. 

 

Der jüngere Bruder Johann Osebold hatte den Beruf des Schreiners erlernt. Auch er hatte nicht den Lebensplan forthin in Sallinghausen zu bleiben. So war er mit seiner älteren Schwester einig, das Elternhaus aufzugeben. Bevor Sophia ins Kloster eintrat, verkauften die Geschwister das Haus mit Grundstück an den Nachbarn Eberhard Heymer gnt. Schulte zu einem Kaufpreis von 850 Reichsmark (08). Johannes ließ sich als selbständiger Schreiner in Gelsenkirchen nieder.  

Damit wurde ein weiteres Kapitel über „Blanken Haus“ in Sallinghausen abgeschlossen, und zwar so gründlich, dass der Name „Osebold“ und die Geschichte dieser Familie für die nachkommenden Generationen im Dorf keine Bedeutung mehr hatte. Die Erinnerung an sie war erloschen.


Die Molitor's in "Blanken Haus"

Eberhard Heymer, der von den Geschwistern Osebold das „Blanken Haus“ käuflich erwarb, sah ein, dass er noch Verbesserungen im Haus vornehmen musste, um dieses überhaupt als Kaufobjekt erfolgreich einem Erwerber anbieten zu können. Im Erd- bzw. Kellergeschoss baute er noch einen neuen Schweinestall hinein. Im darüber liegenden Obergeschoss befand sich seitlich, nach Osten gerichtet, der Hauseingang. Der führte in den Wohnbereich, dessen Mittelpunkt die Küche war. Nur eine kleine Wohnstube war vorhanden. Diese vergrößerte sich wesentlich, nachdem Eberhard Heymer einen Anbau, der uferseitig in den Felsen gesetzt wurde, durchführen ließ.  

Franz Joseph Molitor, seine Herkunft und sein Leben

Foto 1918: Der Vater ist im Krieg. Mutter Luise mit den Kindern, die Großmutter Theresia, geb. Rath, rechts Ottilie, die jüngste Schwester des Vaters Franz Joseph Molitor. Das Foto entstand vor ihrer Haustür.
Foto 1918: Der Vater ist im Krieg. Mutter Luise mit den Kindern, die Großmutter Theresia, geb. Rath, rechts Ottilie, die jüngste Schwester des Vaters Franz Joseph Molitor. Das Foto entstand vor ihrer Haustür.

Franz Joseph Molitor, war am 21.06.1874 in Fretter als Sohn des Maurers Joseph Molitor (09) und dessen Ehefrau Theresia (geb. Rath, geb. in Schöndelt am 05.03.1849, gest. in Sallinghausen 25.04.1929) geboren worden. Es folgte die Geburt seiner Schwester Anna in Fretter. Danach, um 1877, zog die Familie wieder von Fretter zurück nach Hengsbeck, dort wo die Eltern bereits nach ihrer Hochzeit ansässig gewesen. In Hengsbeck wuchs Franz Joseph mit vier Schwestern auf: Drei jüngere Schwestern, Theresia, Elisabeth und Ottilie, wurden in Hengsbeck geboren. 

Der Vater verstarb am 06.06.1887 an der Schwindsucht im Alter von 44 Jahren und hinterließ die Witwe mit fünf minorennen (minderjährigen) Kindern. Ottilie, das jüngste, war gerade im April geboren worden. Nun war die Kindheit für Franz Joseph mit einem Schlag beendet. Gerade mal 13 Jahre jung, war er jetzt der einzige Mann im Haus und er wurde genötigt, Arbeit als Tagelöhner bei den Bauern zu suchen um die Familie zu unterstützen.  

 

Wie kamen sie nach Sallinghausen?

 

Am 14.11.1899 heiratete Franz Joseph in der Pfarrkirche in Eslohe die gleichaltrige Luise Donner, die am 30.10.1874 in Kückelheim, In der Marpe (Pfarrei Eslohe), geboren war. Deren Eltern waren der Zimmermann und Tagelöhner Wilhelm Donner (geb. in Hengsbeck am 21.03.1824) und seine Ehefrau Elisabeth, (geb. Kleine aus Landenbeck, geb. am 19.10.1835). Luise war sieben Jahre lang Dienstmagd auf dem Hof Rischen gnt. Klogges in Bremscheid. Die Braut war deshalb keine Unbekannte für Eberhard Heymer, der zusammen mit Ida Rischen Trauzeuge bei dieser Eheschließung war. Und er war es auch, der dem jungen Paar das „Blanken Haus“ anbot, welche dieses erstmal drei Jahre mietweise nutzte. 

 

Glücklich erwarteten sie die Geburt ihres ersten Kindes. Am 04.02.1901 wurde ein Junge geboren. Sie tauften ihn auf den Namen Joseph Maria. Im folgenden Sommer erkrankte das Kind jedoch an einer Lungenentzündung und starb am 24.07.1901. Als bereits ein Jahr später wieder ein Junge geboren wurde, gaben sie ihm den Namen ihres verstorbenen Kindes.  

Die Werkzeugfabrik Gabriel um 1900
Die Werkzeugfabrik Gabriel um 1900

 

Franz Joseph Molitor arbeitete vorerst auf dem Schultenhof und nach zwei Jahren nur für kurze Zeit als Arbeiter in der seit 1870 von Ferdinand Gabriel auf dem Niederesloher Kupferhammer eröffneten Werkzeugfabrik. Lärm und Hitze, keine Sonne und frische Luft! Die Arbeit in der Landwirtschaft war das, was er liebte. Und so begann er 1902 seinen Dienst als Landarbeiter (Knecht) auf dem Hof Mathweis.  

 

Seine Frau Luise war das einzige Kind ihrer Eltern. Ihr Vater war am 30.11.1893 im Alter von 69 Jahren an Altersschwäche gestorben und hatte als tätiger Zimmermann ein kleines Vermögen hinterlassen. Die verwitwete Mutter Elisabeth Donner sah sich deshalb in der Lage das „Blanken Haus“ im Jahre 1902 zu erwerben. Nachdem Franz Joseph Molitor einige Umbauten im Haus, die er selbst vornahm, abgeschlossen hatte zog Elisabeth Donner bei Tochter und Schwiegersohn ein. Sie starb jedoch bereits am 15.02.1905, erkrankt an einem Grippevirus (Influenza). Auch seine Mutter und die vier Schwestern fanden in „Blanken Haus“ eine Bleibe (10). 

Kleines Haus, viele Bewohner

 

Es wurden viele Kinder geboren und sorgten für ordentlich Leben im Haus: 

 

1. Joseph Maria Molitor, geb. am 15.08.1902, gest. in Herdringen 01.07.1962, war von Beruf Elektriker und Schlosser, heiratete im Mai 1933 Änne Brinkschulte (geb. in Herdringen 26.04.1906, dort gest. 21.08.1980, Hauserbin); 1 Sohn: Josef, geb. 21.02.1934

2. Wilhelm Joseph Molitor, geb. am 14.07.1904, gest. in Eslohe nach 1994, heiratete in Beverungen am 19.10.1933 die Maria Mathias (dort geb. 02.06.1903, gest. KrHs. Meschede 14.05.1983), 3 Kinder: Willi, Heinz-Josef u. Rainer (starb 1jährig)

3. Theodor Molitor, geb. am 11.04.1906, gefallen am 30.09.1944 in Warschau, war Klosterbruder im Herz Jesu-Missionshaus Hiltrup

4. Ottilia Maria Molitor, geb. am 05.04.1908, gest. 29.09.1957, heiratete 1938 in Werl den Waldarbeiter Josef Schulte (geb. 15.11.1908 in Selmecke b. Kirchrarbach, gest. Sallinghausen 28.04.1973); 1 Sohn: Manfred, geb. Plettenberg 28.04.1939

5. Johann Molitor, geb. am 16.11.1909, vermisst – 1953: Todeserklärung 31.12.1945, heiratete in Eslohe 20.08.1939 Maria Jürgens (geb. Wenholths. 10.06.1913, gest. Eslohe 11.04.1978), 3 Kinder I. Ehe: Martha, Willi und Doris, heiratete in II.Ehe: Franz Jankowsky: 1 Kind: Hubert 

6. Adolph Aloys Molitor, geb. am 19.02.1911, starb am 06.09.1911 an Schwäche

7. Paul Molitor, geb. am 29.05.1912, gestorben am 19.04.1936 im KrHs. Eslohe (Lungenleiden nach Einsatz im Reichsarbeitsdienst)

8. Maria Molitor „Mariechen“, geb. 04.06.1914, Kriegstrauung Juli 1942 mit Ernst Rosenbeck (gest. Juli 1942), 1 Kind: Werner Rosenbeck, geb. 28.07.1942 u. aufgewachsen in Sallinghausen, gest. 25.03.1991 in Eslohe

Der Krieg ging nicht an ihm vorbei

Joseph Molitor als Soldat
Joseph Molitor als Soldat

 

Trotzdem Franz Joseph Molitor für die vielköpfige Familie der einzige Ernährer war, wurde er als Soldat im November 1915 zum Kriegsdienst eingezogen. Seine Frau Luise war in dieser Zeit einmal mehr der ruhende Pol in der Familie. Sie galt als „gute Seele“ des Hauses und ihre unerschütterliche Zuversicht und ihr Fleiß wurde auch bei den Nachbarn geschätzt und geachtet. Gemeinsam mit ihren Kindern und den noch im Hause lebenden Schwägerinnen nahm sie ihr Schicksal in die Hände, nicht klagend und weinend, sondern zupackend (11).  

 

Franz Joseph Molitor war zuerst im Einsatz in den Vogesen, danach in Galizien (Ostpolen/West-Ukraine) und wieder zurück nach Frankreich, wo er bei der Somme-Offensive (12) im März 1918 eine schwere Gasvergiftung erlitt. Im Dezember 1918 kam er in seine Heimat zurück. Er konnte noch dabei helfen, die von den Sallinghausern während des Krieges vergrabene Kirchenglocke am Hl. Abend zurückzubringen. Franz Joseph bekam bereits 1916 das Eiserne Kreuz II. Klasse für seine Tapferkeit bei einer Patrouille verliehen.  

 

Es war noch was zu tun; und dann mit vielem Abschied nehmen 

Foto von 1934 zum 60ten Geburtstag von Mutter Luise Molitor, geb. Donner: Die Familie einmal vereint: hintere Reihe, v.l.n.r. die Söhne: Johann, Paul, Joseph, Wilhelm und Theodor, davor die Schwestern Maria und Ottilie mit den Eltern Luise und Franz Josef
Foto von 1934 zum 60ten Geburtstag von Mutter Luise Molitor, geb. Donner: Die Familie einmal vereint: hintere Reihe, v.l.n.r. die Söhne: Johann, Paul, Joseph, Wilhelm und Theodor, davor die Schwestern Maria und Ottilie mit den Eltern Luise und Franz Josef

Zum 25jährigen Dienstjubiläum im Jahr 1927 schenkte ihm sein Dienstherr Franz Mathweis sen. den Apfelhof und ein Ländchen „unter der Furche“. Ein Jahr später erwarb Franz Joseph Molitor von Mathweis für 450 Reichsmark das „schiefe Land“, ungefähr einen Morgen groß. 1937 überreichte ihm die Landwirtschafts-kammer eine Ehrenurkunde, nebst einer Flasche Cognac zum 35jährigen Dienstjubiläum. Während der Separation erwarb er dann noch die restliche Fläche von Mathweis, zwischen seinem Garten und der Weide von Nurks Hof gelegen (später Bauplatz für Haus Nr. 11). 

 

Am 5. März 1929 war im Hause Molitor Anlass für ein großes Fest, an dem fast alle Familienmitglieder teilnehmen konnten. Die Mutter Theresia Molitor, geb. Rath, durfte trotz schlechter Gesundheit ihren 80ten Geburtstag erleben. Ein Foto zeigt sie inmitten ihrer großen Familie, auf einem Kissen im Sessel sitzend und zum Zeichen ihres Ehrentages mit einem Sträußchen in den Händen. Wenige Wochen danach erlag sie ihrem Leiden. Sie starb am 25. April 1929. 

 

Ein herber Schlag für die Familie folgte im Jahr 1936. Der jüngste Sohn Paul verrichtete im Arbeitsdienstlager Bredelar als Vormann seinen Dienst (13). Er litt an einem Lungenleiden. Die schwere Arbeit brachte ihn bis an seine Grenzen und er musste nach Eslohe ins Lazarett gebracht werden. Dort starb Paul am 19.04.1936 im jungen Alter von fast 24 Jahren. 

 

1938 renovierte Franz Joseph Molitor noch einmal sein in die Jahre gekommenes Haus. Die Zeit waren unruhig geworden und mündete in den zweiten großen Krieg, in dem auch seine Familie Opfer bringen musste. Sein arbeitsreiches Leben, das er hinter sich gelassen hatte, forderte seinen Tribut. Nach einer längeren Blasenerkrankung starb Franz Joseph Molitor am 04.10.1942 im Alter von 68 Jahren und gab alle Sorge um die Familie in die Hände seiner Ehefrau Luise.    


Foto am 5. März 1929 anlässlich des 80ten Geburtstag der Großmutter  Theresia Molitor, geb. Rath. Sie starb am 25. April 1929
Foto am 5. März 1929 anlässlich des 80ten Geburtstag der Großmutter Theresia Molitor, geb. Rath. Sie starb am 25. April 1929

01 Großmutter Theresia Molitor, geb. Rath

02 Vater Franz-Joseph Molitor

03 Mutter Luise Molitor, geb. Donner

04 Theresia Schneider, geb. Molitor (Schwester d. Vaters)

05 Anna Schulte, geb. Molitor (verwitwete Schwester d. Vaters)

06 Ottilie Hennemann, geb. Molitor (jüngste Schwester d. Vaters)

07 Elisabeth Schulte-Beckers, geb. Molitor (Schwester d. Vaters)

08 Franz Schulte-Beckers, Ehemann zu 7 (Foto ergänzt)

09 Johann Schneider, Ehemann zu 4

10 Theodor Molitor (Sohn, im Kloster)

11 Josef Molitor (ältester Sohn, verh. in Herdringen)

12 Maria Molitor (jüngste Tochter, später verh. Rosenbeck)

13 Ottilie Molitor (Tochter, später verh. Schulte, Hauserbin)

14 Wilhelm Molitor (Sohn)

15 Peter Hennemann (Ehemann zu 6)

16 Franz Schulte-Beckers (ältester Sohn zu 7+8, gefallen)

17 Waltraud Schulte-Beckers (Tochter zu 7+8)

 


Alle Hoffnungen lagen auf ihm:  Johann Molitor

 

Nach des Vaters Tod war der Sohn Johann vorgesehen, das Erbe zu übernehmen. Die älteren Brüder waren nach ihrer Heirat, beide im Jahr 1933, aus dem Haus gezogen und verzichteten auf ihr Erbe. Josef hatte sein Zuhause in Herdringen und Wilhelm in Beverungen gefunden. Und der drittälteste, der Sohn Theodor, fühlte sich zum Missionsdienst berufen und lebte nun in der brüderlichen Gemeinschaft der Herz-Jesu Missionsbrüder in Hiltrup. 

 

Johann Molitor hatte am 20.08.1939 in der Pfarrkirche in Eslohe Maria Jürgens aus Wenholthausen geheiratet. Das Paar zog in „Blanken Haus“ und bald wurden dort drei Kinder geboren: Martha, geb. 29.07.1940, Willi, geb. 06.03.1942 (gest. 05.05.2019 in Eslohe) und Doris, geb. 26.05.1943. 

Der junge Vater wurde jedoch zum Kriegsdienst eingezogen. Im letzten Kriegsjahr 1945 kamen keine Nachrichten mehr von ihm nach Hause. Er wurde vermisst und erst 1953 für tot erklärt. Die Kriegerwitwe Maria Molitor lernte Franz Jankowski kennen. Er stammte aus Polen und blieb auch nach Kriegsende im Sauerland. Die beiden heirateten am 30.08.1953 und zogen mit den Kindern später nach Niedereslohe ins „Fischacker“. Dort wurde Sohn Hubert geboren.

Das Schicksal stellt die Weichen

 

Maria Molitor, das Nesthäkchen unter den Geschwistern, wurde auch in späteren Jahren von Nachbarn, Freunden und Bekannten nur „Molitors Mariechen“ genannt. Sie war ein fröhlicher Mensch, temperamentvoll und ihr freundliches Wesen, ihr Lachen, blieb vielen Menschen in guter Erinnerung. Dabei hatte sie kaum Grund zur Heiterkeit gehabt. Sie hatte sich in Ernst Rosenbeck verliebt und wurde schwanger von ihm. Der werdende Vater zog jedoch in den Krieg, überzeugt vom Sieg des deutschen Heeres. 

 

 Es geschah im Juli 1942: Ernst Rosenbeck konnte einen Ariernachweis (14) nicht vorweisen. Da er jüdische Vorfahren im Stammbuch hatte, brachte ihm das einige Probleme bei Militär. Als Konsequenz richtete Ernst Rosenbeck im Affekt seine eigene Waffe gegen sich selbst. Maria wurde posthum durch eine Kriegstrauung seine Ehefrau und nahm seinen Namen an. Am 28.07.1942 wurde ihr Kind geboren: Werner Rosenbeck ist seinem Vater „wie aus dem Gesicht geschnitten“ und wuchs in Blanken Haus mit der Liebe seiner Mutter, zusammen mit seinem gleichaltrigen Vetter Willi und den beiden Kusinen auf. Sie lebten dort in bescheidenen Verhältnissen. Doch dankbar und gerne richteten sie später immer wieder ihre Gedanken zurück an ihre Kinderzeit in Sallinghausen. 

 

 

Theodor Molitor, der als Missionsbruder in Hiltrup weilte, wurde vom „Dienst an der Waffe“ keineswegs verschont. Auch er musste den Fahneneid leisten und als Obergefreiter in einem Infanterieregiment gen Osten marschieren. Bei schweren Kämpfen starb er am 30.09.1944, so wie viele seiner Kameraden, den „Heldentod“. Er wollte Gutes tun im Namen des Herrn, doch mit seinem Sterben ging ein wertvoller Mensch mit all seinen Träumen und Prinzipien für immer verloren.   

Da wo du hingehst, geh ich auch hin

 

Ottilie Molitor hatte bereits ihr Elternhaus verlassen. In der Klosterkirche des Franziskaner-Ordens in Werl ging sie 1938 die Ehe mit dem gleichaltrigen Josef Schulte ein. Dieser wurde in Sellmecke, einem kleinen Dorf bei Kirchrarbach, am 15.11.1908 geboren und war von Beruf Waldarbeiter. Ihre Wege führte das Paar nach Plettenberg, wo Josef Schulte Arbeit fand. Dort wurde am 28.04.1939 ihr Sohn Manfred Josef Schulte geboren.

Im Jahre 1952, als feststand, dass der Bruder Johann Molitor aus dem Felde nicht mehr heimkam und für tot erklärt wurde, erbte Ottilie das Haus mit Grundstück, das ihr Vater erworben hatte und zahlte ihre Geschwister aus. Die kleine Familie Schulte zog vorerst in den Fischacker nach Niedereslohe, tauschten danach aber die Wohnungen mit der Schwester und Schwägerin.

Johann Molitor
Johann Molitor
Ernst Rosenbeck
Ernst Rosenbeck
Theodor Molitor
Theodor Molitor

So kam die Familie Schulte ins „Blanken Haus“ und zurück zu Mutter Luise Molitor. Josef Schulte hatte eine Anstellung beim Baron von Weichs auf Gut Wenne gefunden. Dort setzte er sein Können und Wissen bei der Pflege und Hege des großen Waldbesitzes ein.  

 

Wieder einmal schlug das Schicksal hart zu: Im Alter von nur 49 Jahren, erkrankte Ottilie Schulte so schwer, dass sie ins Universitätsklinikum Bergmannsheil nach Bochum verlegt werden musste. Sie litt an einem Gehirntumor. Auch dort konnten ihr die Ärzte nicht helfen. Ottilie starb am 29.09.1957 in Bochum und ließ ihren Ehemann und den 18jährigen Sohn Manfred zurück.  

Die Zukunft gestalten

Spaziergang im Jahre 1937: v.l.n.r.: Ottilie Molitor, Josef Schulte, NN, NN, Wilhelm Molitor, sitzend: Maria „Mariechen“ Molitor und ihre Freundin und Nachbarin Maria Feldmann, später verheiratete Scherer
Spaziergang im Jahre 1937: v.l.n.r.: Ottilie Molitor, Josef Schulte, NN, NN, Wilhelm Molitor, sitzend: Maria „Mariechen“ Molitor und ihre Freundin und Nachbarin Maria Feldmann, später verheiratete Scherer

 

Josef Schulte war noch zu jung, um als Witwer allein durchs Leben zu gehen. 1959 lernte er die vierzigjährige Gertrud Wietbüscher (geb. am 19.09.1919 in Langenberg bei Wiedenbrück, gest. 97jährig in Eslohe am 03.03.2017). Sie planten, auf dem oberen Obsthof ein neues Wohnhaus mit Stall, eine Fördermaßnahme der Siedlungsgesellschaft „Rote Erde“ (15). Um eine neue Zuwegung zu erhalten, kauften sie von Heymer 148 qm für je 1 Mark hinzu. Nach der Umschreibung im April 1960 wurde die Firma Grell beauftragt, den Weg zu planieren und den Hausplatz auszuschachten. 

 

Zwischenzeitlich fand am 29.07.1960 in der Abteikirche des Benediktiner-Klosters in Meschede die Hochzeit statt. Tage zuvor hatten die Nachbarn, so wie es Tradition war, den „Brautwagen“ gefangen. Der Lastwagen aus Wiedenbrück wurde am „Schmiedchen“ mit Brettern, die auf die Dorfstraße geworfen wurden, aufgehalten. Die Weiterfahrt musste ausgelöst werden. Vorübergehend zog das Paar in „Blanken Haus“ ein. Am 11.2.1961 wurde die Tochter Marianne geboren. 

 

Luise Molitor, geb. Donner
Luise Molitor, geb. Donner

Unvergessen bis heute: Luise Molitor, geb. Donner

 

Sie war unbestritten die Seele des Hauses, ein Ruhepol und Stütze für ihren Ehemann, ihre Kinder und Enkelkinder. Diese Frau hat in ihrem langen Leben einiges erleben müssen. Sie kamen und manche gingen, doch eine blieb im Hause: Luise Molitor. Sie wurde mit einem langen Leben beschenkt. Geboren in Kückelheim am 30.10.1874, fand sie nun an einem Sommertag, den 20.06.1961 in Sallinghausen ihre Sterbestunde. Ihre Kinder fanden die rechten Worte auf dem Totenzettel: „Die liebe Verstorbene starb im Alter von fast 87 Jahren, nach einem echt christlichen Leben, das reich an Mühe und Arbeit, voll selbstloser Herzensgüte und stiller Hilfsbereitschaft, nur der Sorge und dem Wohle der Ihrigen und ihrer Mitmenschen galt.“

 

Ihr Nachbar Heinrich Heymer (gest. 25.02.1966) würdigte diese Frau, indem er in seinen Aufzeichnungen den ansonsten namenlosen Weg im Dorf als „Luisenstraße“ bezeichnete. Es zeigt, welche Institution Luise Donner nicht nur für ihre Familie, auch für die Nachbarschaft war. Sie wurde geachtet in liebevoller Weise. Dank einiger Zufälle, hat es die Wegebezeichnung „Luisenstraße“ bis in die heutigen, auch digitalen Straßenkarten geschafft. Diese Frau hat es verdient, dass sie so nicht in Vergessenheit gerät. 

 

Manfred Schulte (Foto: 1957)
Manfred Schulte (Foto: 1957)

 

 

 

Altes muss Neuem weichen

 

Die Bauarbeiten zum neuen Haus verzögerte sich, da mehrmals Felsen gesprengt werden mussten. Mitte November 1961 begannen die Bauarbeiten durch die Firma Limberg aus Berge. Am 20.10.1962 zog die Familie ins neue Wohnhaus, Sallinghausen Nr. 11. Heinrich Heymer nannte sie fortan, die „Bergschulten“. 

 

Mit diesem Tag war auch das Ende des „Blanken Haus“ besiegelt. Für eine kurze Zeit war es noch an eine Familie Kühl vermietet. Mit eigenen Händen begann im Jahre 1967 Manfred Schulte, jetzt Eigentümer von „Blanken Haus“, mit dem Abriss. Bis auf eine Seitenwand, die stehen blieb, wurde nun Neues auf Altem aufgebaut. Bereits ein Jahr später konnte Manfred sein neues Haus einrichten. Seine Augen waren auf die Zukunft gerichtet. 

 


Gedenket der Toten


Anhang (Fußnoten) zum Bericht:

01. Siehe „Die von Eslebens und die Volmars – Höfe in Oberbremscheid“ von Wilhelm Feldmann: Aus der Ehe des Hermann Gottfried von Esleben mit Anna Christine Volmar gingen vier Kinder hervor. Durch die bürgerliche Heirat ging jedoch das Adelsprädikat verloren. Ihr viertes und jüngstes Kind Anna Maria Elisabeth Esleben gnt. Vollmars, geb. am 19.08.1749 heiratete 1770 den Johann Caspar Schulte, gnt. Kirchhoff in Isingheim.      

02. Niederschrift des Heinrich Heymer, Bauer in Sallinghausen zu Blanken Haus

03. Auszug aus Hofchronik Nurks Hof zu Sallinghausen Teil II von W. Feldmann

04. Auszug aus Hofchronik Nurks Hof zu Sallinghausen Teil II von W. Feldmann

05. Esselbote Ausgabe 47 Dezember 2003, Seite 8: „Auswanderung nach Amerika aus dem Amt Eslohe“ von Dierk W. Stoetzel

06. Anna Maria Bornemann (verwitwet in zweiter Ehe) erlag im Alter von 61 Jahren der Schwindsucht. Auszug aus Teil II der Nurks Hofchronik: „Am 28. Dezember 1863 stirbt sie 61jährig auf dem Hof in Sallinghausen, auf dem sie Spuren hinterließ. Sie konnte auf ein bewegtes Leben zurückblicken, das sie hier verbrachte und auf den sie in jungen Jahren eingeheiratet hatte. Zehn Kinder hatte sie geboren und drei Kinder und zwei Ehegatten zu Grabe tragen müssen. Arbeit, Mühe und Sorgen, Krankheit und unerwartete Schicksalsschläge hatten ihren Körper geschwächt. Sie starb letztlich an Schwindsucht (Eintragung im Sterbebuch der Pfarrei Eslohe). Doch es war nun wieder eine Frau im Hause: Ihr Sohn Franz hatte seit drei Jahren mit Antonette Feldmann aus Heiminghausen eine Frau gefunden und diese geheiratet.“

07. Der Tote verblieb in seinem Sterbebett oder er wurde bereits im Sarg aufgebahrt. In diesem Fall war es üblich, den Sarg in der Wohnstube aufzustellen. Zur Aufbahrung wurde das Zimmer häufig mit Blumen, Kerzen und Bildern des Verstorbenen geschmückt und die Nacht wurde mit stillem Gebet, Wachen und Gedenken zugebracht. Die Dauer der Totenwache war nicht auf eine Nacht beschränkt. Die Aufbahrung und das Beisammensein von Angehörigen, Freunden und Nachbarn konnte sich über mehrere Tage hinziehen, vom Eintritt des Todes bis zum Zeitpunkt der Beerdigung.

08. Heinrich Heymer schrieb: „Eberhard Heymer hatte das Haus gekauft, um es nicht in die Hände unliebsamer Nachbarn fallen zu lassen (Kötten)“

09. Die Herkunft der Familie Molitor kann man bis nach Bremke zurückverfolgen: Johann Franz Molitor wurde am 20.10.1770 dort geboren. Gestorben ist er in Kückelheim am 27.05.1842. Durch Einheirat kam er auf „Voß Hof“ nach Kückelheim. Johann Molitor heiratete am 24.07.1798 die Hoferbin Elisabeth Neuhäuser (auf „Voß Hof“ am 11.05.1778 geboren und am 08.09.1839 gestorben). Die Eheleute hatten neun Kinder. Der älteste Sohn Adam wurde Hoferbe, der nachgeborene Johann Kasper Molitor (geb. in Kückelheim 14.02.1805) war von Beruf Schreiner. Er heiratete in der Pfarrkirche zu Eslohe am 29.08.1833 die aus Altenilpe stammende Maria Anna Bette. Das Paar ließ sich in Hengsbeck nieder. Sie bekamen fünf Kinder. Der älteste Sohn Johann wurde noch in Hengsbeck, der drittgeborene Sohn Joseph bereits in Fretter, dem neuen Wohnort der Familie, am 01.09.1842 geboren. Der Vater hatte bei Rademacher in Heggen als Fabrikarbeiter eine Stelle angenommen.   

10. Die älteste Schwester Anna, geb. 10.02.1876, heiratete in Eslohe am 06.05.1908 den Eisenbahnarbeiter Theodor Schulte (geb. 04.02.1880 in Altenhundem, dort gest. 26.04.1926). Das Paar hatte 4 Kinder. Sie starb in Altenhundem am 12.04.1963. - Die zweite Schwester Theresia, geb. 07.01.1878, heiratete in Eslohe am 18.05.1909 den Kutscher u. Landwirt Johann Schneider (geb. in Meinkenbracht 16.06.1879, gest. in Berge 23.09.1954. Das Paar hatte 3 Kinder. Theresia starb in Berge am 28.12.1959. – Die Schwester Elisabeth, geb. am 06.01.1881, heiratete am 22.05.1918 (Kriegstrauung) den selbstständigen Schneider Franz Schulte-Beckers in Wenholthausen (dort geb. 16.01.1887 u. gest. 04.10.1970). Das Paar hatte 3 Kinder: Franz und Josef sind gefallen, Waltraud, geb. 06.03.1927. Elisabeth starb in Wenholthausen am 16.06.1969. - Ottilia, die jüngste Schwester, geb. am 05.04.1887, heiratete am 17.07.1918 (Kriegstrauung) den Postassistent Peter Hennemann (geb. Kirchhundem 12.02.1886, gest. 23.04.1967), sie lebten in Meschede- Berge, kinderlos, Ottilie starb am 24.08.1971. 

11. Angehörige der Familie Molitor verdienten sich durch ihre Arbeit bei den Bauern des Dorfes ihren Verdienst. Auch auf Nurks Hof wurde ihr Fleiß geschätzt. Das Kontobuch von Wilhelm Feldmann weist das mehrfach aus. In der schwierigen Zeit der Inflation nach dem Ersten Weltkrieg, im November 1922 erhielt die 14jährige Ottilie Molitor von Wilhelm Feldmann 100 Reichsmark für ihre eintägige Hilfe auf Nurks Hof. Das war eine hohe Summe, die aber kaum Kaufkraft besaß. Ein Jahr später wurde die Hyperinflation durch die erste Währungsreform im 20. Jhd. beendet.  

12. Wikipedia: Die Schlacht an der Somme war eine der größten Schlachten an der Westfront des Ersten Weltkrieges. Sie begann am 1. Juli 1916 im Rahmen einer britisch-französischen Großoffensive gegen die deutschen Stellungen. Sie wurde am 18. November desselben Jahres abgebrochen, ohne eine militärische Entscheidung herbeigeführt zu haben. Als Frühjahrsoffensive bezeichnet man eine Serie von fünf Offensiven des deutschen Heeres an der Westfront des Ersten Weltkriegs im Frühjahr des letzten Kriegsjahres 1918. Die erste begann am 21. März 1918; die fünfte Mitte Juli – ein letzter deutscher Offensivversuch an der Marne. Angefangen mit der Operation Michael (auch Große Schlacht in Frankreich oder Kaiserschlacht genannt) war die Frühjahrsoffensive der letzte Versuch des Deutschen Kaiserreichs, an der Westfront einen für die Mittelmächte günstigen Ausgang des Krieges herbeizuführen. 

13. Wikipedia: Die Reichsarbeitsdienstlager (kurz RAD-Lager) waren die Stützpunkte des Reichsarbeits-dienstes während der Zeit des Nationalsozialismus. Mit der Einführung des Reichsarbeitsdienstes im Juni 1935 entstanden im gesamten Deutschen Reich rund 2000 Lager, an denen der Reichsarbeitsdienst geleistet werden musste. Diese bestanden anfangs teilweise aus angemieteten Jugendherbergen, Heimen und Schulen, später aber auch immer öfter aus errichteten Lagern an verkehrsgünstigen Standorten, sei es der Landwirtschaft, der Rüstungsindustrie oder anderen Einrichtungen. Der Reichsarbeitsdienst untergliederte sich in 26 Bezirke, die wiederum in Lagergruppen gegliedert waren und jede Lagergruppe bestand aus 10 bis 15 Lagern. Entsprechend standen Bezirksführer, Lagergruppenführer und Lagerführer den Einheiten vor. Ein „Normallager“ war mit 54 Personen belegt, wobei dies auch den Lagerführer samt Gehilfen und den Verwalter samt Gehilfen umfasste. 

14. Wikipedia: Der Ariernachweis war im nationalsozialistischen Deutschland von 1933 bis 1945 für bestimmte Personengruppen (insbesondere Mitglieder der SS, Beamte, öffentlicher Dienst, Ärzte, Juristen, Wissenschaftler deutscher Hochschulen, umgesiedelte und neu einge-bürgerte Volksdeutsche) ein von Staats- und Regierungsbehörden geforderter Nachweis (beglaubigte Ahnentafel) einer „rein arischen Abstammung“ aus der „arischen Volksgemeinschaft“. Mit dem Ariernachweis begann die Ausgrenzung von „Nichtariern“, vor allem Juden, „Zigeunern“, die über die Aberkennung ihrer Bürgerrechte und Ausgrenzung bis zur Vertreibung, Ghettoisierung, Deportation. Ariernachweise verlangten auch Berufsverbände, die Reichskulturkammer für alle künstlerisch Tätigen, ferner viele Unternehmen und ein Teil der Kirchen als Zugangsvoraussetzung für eine Anstellung sowie die NSDAP für die Aufnahme als Parteimitglied.

15. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Roten Erde die wichtige Rolle zuteil, die sogenannten „Heimatvertriebenen“ aus den ehemaligen „Ostgebieten“ des vergangenen Dritten Reiches mit Wohn- und Arbeitsraum zu versorgen. Aufgrund ihrer herausragenden Leistung bekam die Siedlungsgesellschaft im Jahre 1956 die Plakette „Hilfe durch Grün“ durch den damaligen Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten und späteren Bundespräsidenten Dr. h. c. Heinrich Lübke verliehen. In den ersten 50 Jahren der Siedlungsgesellschaft standen vor allem die Förderung der ländlichen Siedlung und die Wiedereingliederung der Vertriebenen der beiden Weltkriege im Vordergrund. Von nun an sollte, bedingt durch die sich ändernden Verhältnisse, die Planung und Durchführung von Maßnahmen im öffentlichen Raum (Bodenordnung, Ortssanierung, Ortsentwicklung) sowie die Rationalisierung des Bauens im Bereich landwirtschaftlicher Siedlungen und Agrarstrukturverbesserungen eine größere Bedeutung erhalten.