Die "Spätschopper" unterwegs:


Herbstrundfahrt durchs Sauerland

Wir nennen uns „Spätschopper“. Wie der Name schon sagt, haben wir den üblichen Frühschoppen auf die Abendstunden verlegt. Wir, das sind vier Männer, schon in die Jahre gekommen, aber noch ganz gut zuwege. Es sind der Hermann, der Günter, Ludwig und ich. Unser Zeichen, das wir für unseren Stammtisch erwählt haben, ist das vierblättrige Kleeblatt, ein Glückssymbol.

Dass wir vier Männer uns nun seit einigen Jahren regelmäßig irgendwo treffen, daran sind unsere Frauen „schuld“. Sie sahen, dass wir uns bei zufälligem Aufeinandertreffen immer viel zu erzählen hatten und kaum wieder auseinanderkommen konnten. Sie hatten wenig Verständnis dafür, dass wir es nicht schafften, daraus eine Regelmäßigkeit zu machen. Frauen sind da wohl anders gestrickt wie Männer und so gaben diese ihren Angetrauten irgendwann den sprichwörtlichen „Stoß in die Rippen“. 

So kam es, dass wir uns nun an jedem Donnerstag in der dritten Woche des Monats verabreden. Nur selten sind wir davon seitdem abgewichen. Unser erstes Treffen war in der damals noch offenen Dorfkneipe in Isingheim, wo uns Franz Stratmann (+ 2020) vom „August mit dem Schlips“, einem leckeren Kräuterschnaps, reichlich einschenkte. Es folgte ein Treffen im Gasthaus „Zum Kreuzbauer“ in Niederlandenbeck. Auch dieses gastliche Haus musste in der Folge geschlossen werden. Daran konnte auch unser Besuch nichts mehr ändern. 

Auf dem Glinge-Becken (Pumpspeicherwerk bei Rönkhausen) 2015: vlnr: Günter, Wilhelm, Hermann, Ludwig
Auf dem Glinge-Becken (Pumpspeicherwerk bei Rönkhausen) 2015: vlnr: Günter, Wilhelm, Hermann, Ludwig

Wer nun meint, wir hätten nur vergeblich versucht, kleineren Gaststätten auf die Beine zu helfen, der irrt. Fahrten nach Hildesheim (2010) Köln (2011), Münster (2014), Paderborn (2015 mit Ehefrauen) und Limburg (2016) bleiben in guter Erinnerung. Und jüngst haben wir die Kultur und Schönheit unserer Heimat, dem Sauerland, mit einer Rundfahrt erkundet. 

Am letzten Septembertag 2021 machen wir uns mit leerem Magen früh auf den Weg. Ziel ist der alte Bahnhof in Altenhundem, nun stilgerecht zu einem Cafe umgebaut. Das gemeinsame Frühstück muss noch warten. Auf der Fahrt dahin empfiehlt Günter spontan einen kleinen Umweg. Der führt nach Herschede, einer kleinen Streusiedlung, oberhalb von Bracht (Stadt Schmallenberg) gelegen. An diesem, von der Sonne durchfluteten Morgen, können wir von dieser Anhöhe aus – wenn auch mit knurrendem Magen - eine herrliche Aussicht auf das Schmallenberger Land genießen. 

Blick von Herschede aus auf das Schmallenberger Land
Blick von Herschede aus auf das Schmallenberger Land

Die Vorfreude war berechtigt. Es wartet auf uns ein reichhaltiges und leckeres Frühstück, bei dem wir den weiteren Tagesablauf in alle Ruhe besprechen können. Kaffee und Tee bringt unsere Sinne in Schwung und bald geht die Fahrt von Altenhundem in das nicht allzu weit entfernt liegende Kirchhundem. 

 

Auf  zum Wallfahrtsort "Kohlhagen"

 

Zur deren Pfarrgemeinde gehört nunmehr seit 500 Jahren ein kleiner Wallfahrtsort, Kohlhagen genannt. Diesen erreichen wir nun über eine schmale Zufahrtsstraße. An diesem Vormittag, so scheint es, sind wir so ziemlich die einzigen Besucher in dieser stillen Einöde. Da steht sie, hochaufragend, die Wallfahrtskirche „Mariä Heimsuchung“ im nachgotischen Stil. Ihre weiß getünchten mächtigen Mauern blenden uns im grellen Licht der Sonne. Dieses Gotteshaus wurde in der Zeit von 1703 bis 1707 von Pfarrer Paulus Leyermann (1693-1745) errichtet. Erbaut um die Grundmauern ihrer Vorgängerkirche herum, die erstmals im Jahr 1490 erwähnt wurde. 

Die Kirche Mariä Heimsuchung in Kohlhagen (Pfarrgemeinde Kirchhundem)
Die Kirche Mariä Heimsuchung in Kohlhagen (Pfarrgemeinde Kirchhundem)

Wir treten ein und schon fällt unser Blick auf den wuchtigen Hochaltar, der in der Zeit nach 1709 von dem Attendorner Künstler Peter Sasse (+ 1755) im Stil des Hochbarocks gestaltet wurde. Das lichtdurchflutete Kircheninnere wirkt auf uns einladend, ja freundlich. Auch ein Sauerländer: Dem Maler Caspar Falcke aus Schmallenberg wird die Schöpfung der Altarbilder zugesprochen. Das Altarmittelbild zeigt die Anbetung des Kindes durch die Hirten. Darüber im Altarauszug wird in einem Rundbild die Begegnung der heiligen Frauen Maria und Elisabeth dargestellt. 

 

Auch die Seitenaltäre entstammen insgesamt aus der Künstlerwerkstatt Sasse. Der Kreuzaltar, links vor der Kanzel, enthält das Gnadenbildnis der Pieta, um die sich eine Legende rang. Diese erzählte, dass an einem Sonntagmorgen auf diesem Berg, der in der Frühzeit „Havescheidt“ genannt wurde, eine Schafherde graste. Ihr Hirte war eingeschlafen und träumte, dass ihm die Muttergottes erschiene und ihm sagte, er solle doch Sorge dafür tragen, dass auf diesem Berge zu ihrer Ehre eine Kirche errichtet werde. Als der Hirte erwachte hörte er den Gesang eines Vogels, der in einem Holunderbusch saß. Dort fand nun der Mann das Gnadenbild des Kohlhagens. Sie zeigt, wie Maria ihren Sohn auf ihrem Schoß trägt, der gerade vom Kreuz genommen wurde. Auch ein Holunderbusch, der sichtbar auf ein hohes Alter schließen lässt, soll an der Nordseite der Kirche stehen. Alles Gründe, die Kohlhagen zu einem Ort der Wallfahrt gemacht haben. 

Über Oberhundem in den Naturpark Rothaargebirge

Blick auf die Adolfsburg in Oberhundem
Blick auf die Adolfsburg in Oberhundem

Unsere Fahrt von Altenhundem über Kirchhundem geht weiter nach Oberhundem. Diese Dörfer beziehen ihren Namen von dem durchfließenden Bächlein, namens Hundem. Der Namensursprung ist das germanische „hunda“ für „schwellend“, also „schwellender Bach“. Oberhundem liegt, wie der Ortsname sagt, flussaufwärts. Es ist ein Dorf, das wegen seiner Schönheit und aktiven Bevölkerung mehrfach ausgezeichnet wurde. 

Und das zu Recht, wie wir feststellen können. Gepflegte Fachwerkhäuser, Blumenschmuck, saubere Höfe und Wege fallen uns ins Auge. Die als Wasserschloss im 17. Jhd. von Johann Adolf von Fürstenberg erbaute „Adolfsburg“ ist wohl das bekannteste Bauwerk des Ortes. Der Bauherr hatte es damals als seinen Erholungs- und Alterssitz gedacht Es wurde aber später als Jagdschloss genutzt, während der Hauptsitz der Adelsfamilie in Herdingen war. Heute sind die noch vorhandenen Gebäude in einzelne Wohneinheiten aufgeteilt und bieten ihren Bewohnern ein nicht gewöhnliches Heim. 

 

Wir parken den Wagen auf dem freien Platz vor der katholischen Pfarrkirche St. Lambertus. Sie wurde um 1770 errichtet und ist denkmalgeschützt, ebenso wie der wesentlich ältere Westturm aus romanischer Zeit. Die einheitliche Ausstattung mit Hauptaltar, Seitenaltäre, Kanzel und Beichtstühle stammen allesamt aus der Zeit des Kirchenbaus im 18. Jahrhundert. 

Leider können wir die Kirche nicht betreten. Es bleibt uns die Sicht durch ein eisernes Gitter im Eingangsbereich unter der Orgelempore. Der Blick fällt auf die sehenswerte Ausstattung im Chor, die aus einer Altarbauer-Werkstatt Schweickard stammt. Oberhalb der Kirche betreten wir den Friedhof, von wo aus eine gute Sicht auf den Ort und die Adolfsburg besteht.

Blick auf das Chor der Pfarrkirche St. Lambertus
Blick auf das Chor der Pfarrkirche St. Lambertus

Auf den Rhein-Weser-Turm

Wir machen uns auf. Eine kurvenreiche Strecke führt zum Rhein-Weser-Turm. Hier wollen wir zu Mittag speisen. Die gediegene Ausstattung der Gaststätte hat schon bessere Zeiten gesehen. Dennoch werden wir hier nicht enttäuscht. Eine freundliche Wirtin serviert uns deftige Hausmannskost. Lecker! Dennoch schaffen wir mit gefüllten Mägen den Aufstieg auf den Turm. Über knarrende Holzstufen erreichen wir die geschlossene Aussichtsplattform und sind begeistert. Unter uns liegt das Sauerland zu Füßen, so wie wir es lieben. Im herrlichen Sonnenschein und klarer Sicht schauen wir über grüne Wälder hinein in lebhafte Wolkenbilder und in einen blau- weißen Horizont. 

Da geht das Herz des Sauerländers auf: Ein herrlicher Blick über unsere Heimat.
Da geht das Herz des Sauerländers auf: Ein herrlicher Blick über unsere Heimat.
Der 24 m hohe Rhein-Weser-Turm im Rothaargebirge
Der 24 m hohe Rhein-Weser-Turm im Rothaargebirge

Bergab ins Wittgensteiner Land

Von dieser auf 704 m Höhe liegenden Warte fahren wir hinab ins Wittgensteiner Land. Durch ein breites und ausgedehntes Tal geht es in Richtung Bad Berleburg. Hier sehen wir eine ganz andere Landschaft, die sich vor unseren Augen ausbreitet. Sie unterscheidet sich merklich von der, die wir auf der anderen, nördlichen Seite des Rothaargebirges gewohnt sind. Ziel ist die Schlossanlage der Adelsfamilie Sayn-Wittgenstein, die in der Oberstadt von Bad Berleburg liegt. Die u-förmig angelegte offene Anordnung der Gebäude mit Torhaus aus dem 16. Jhd. schafft einen großräumigen Innenhof. Aus den geöffneten Mäulern der als Fischköpfe gestalteten Kupferrohre ergießt sich plätschernd Wasser in eine Brunnenanlage. Wir betrachten die mächtigen Mauern mit ihren ungezählten Fenstern und ein Jeder fragt sich insgeheim, welche Anstrengungen wohl erforderlich sind, ein historisches Gebäude solchen Ausmaßes zu erhalten. 

Im Innenhof von Schloss Berleburg
Im Innenhof von Schloss Berleburg

In Wikipedia ists nachzulesen: Erbaut wurde das Schloss als Höhenburg im Jahre 1258 vom Grafen Siegfried I und dem Klostervogt Adolf I. Im Jahre 1332 endete diese Doppelherrschaft als Widekind von Grafschaft zu Gunsten Siegfrieds II von Wittgenstein von seinen Rechten an der Stadt Berleburg zurücktrat. Als dieser gestorben war, trat sein Schwiegersohn Salentin von Sayn das Erbe an, denn der Graf war der letzte vom Geschlecht der Wittgensteiner. 

1531 legte Graf Johann eigenhändig den Grundstein zum Ausbau zu einem Residenzschloss. Es erfolgten Erweiterungen in den Jahren 1555 bis 1557 und der Bau des Torhauses 1585. Den dreigeschossigen Mittelflügel errichtete man von 1731 bis 1733. Von 1732 bis 1739 wurde das Corps de Logis, der zu Wohnzwecken erbaute Haupttrakt, erbaut. 

Unterhalb der Schlossanlage erschließt sich eine großzügig gestaltete Parkanlage mit Fischteichen, Rabatten und Grünflächen. Einheimische und Gäste können hier, so wie dazumal das herrschaftliche Volk, trefflich lustwandeln und sich vergnügen. 

Ein kurzes Stück des oberen Schlossparks gehen auch wir. Es braucht aber einen ganzen Sonntagnachmittag bei sonnigem Wetter um den Park in seiner Gänze zu erkunden.

Die Zeit drängt uns zur Weiterfahrt über den Albrechtsplatz zur Hochsauerland-Höhenstraße, hinunter nach Oberkirchen und weiter bis Eslohe, unserem Zuhause. Es war ein schöner Tag für uns Spätschopper, mit Kurzweil, neuen Einsichten und Erkenntnissen. Wir haben es uns gut gehen lassen! Eine Wiederholung ist darum sehr wahrscheinlich!