Die Frankenberger Dampfmaschine


Von der Stuhlfabrik ins Museum

Dem ersten großen Schritt müssen noch einige folgen

In den Esloher Museumsnachrichten 2022 konnte die Vorsitzende des DampfLandLeute- Museums Gudrun Schulte in ihrem Jahresbericht mitteilen, dass ein erster großer Schritt gemacht sei: 

Die „Frankenberger“, eine liegende ventilgesteuerte Dampfmaschine, hatte in der Maschinenhalle des Museums ihren Platz gefunden, nachdem das museumseigene Werkstatt-Team bereits 2021 mit den Vorarbeiten begonnen hatte. Dazu gehörten die Erdarbeiten am Betonboden, wo ein großer Schacht im Betonboden ausgehoben und betoniert wurde. Dort fand nun das gewaltige Schwungrad der Dampfmaschine, dessen Durchmesser 3,60 Meter misst und die mit acht Tonnen ein Schwergewicht ihrer Art ist, ihren vorbereiteten Platz. Nur mit Hilfe eines Autokrans konnte es millimetergenau platziert werden. 

 

Ein Jahr später:

 

Ende 2022 war schon viel geschafft und die Besucher unseres Museums konnten bereits die Dimension dieser gewaltigen Maschine bestaunen.

 

Die Arbeiten gingen auch 2023 weiter, denn es waren noch einige Arbeitsstunden nötig, um das Werk voranschreiten zu lassen. Auch das Einpassen eines Generators war präzise Handwerksarbeit. Die Verbindung zwischen Generator und Schwungrad wird mit einem 60 Zentimeter breiten und 20 Meter langen Gewebetreibriemen entstehen.

So lässt sich schon jetzt erahnen, was die Aufgabe der „Frankenberger“ war:    Die werksinterne Gewinnung von Strom. 

Der Drehstrom-Synchrongenerator steht auf hohen Lagerböcken.


Auch zum Jahreswechsel 2023/24 konnte noch nicht vermeldet werden, dass die „Frankenberger“ wieder betriebsbereit sei. Es werden noch einige Mühen des Teams notwendig sein, bis sich das Schwungrad mit Dampfkraft drehen wird. Zahlreiche Zahnräder, Wellen und Öler sind noch einzubauen. Doch vorher sind diese Teile vom Flugrost zu befreien. Es ist ein deutliches Zeichen: Diese Maschine war längere Zeit nicht mehr in Betrieb und harrte dem Tag ihrer Demontage entgegen. 

 

Das war im November 2016, als das Team des Esloher Museums nach Frankenberg (Eder) zur Fabrik des Möbelherstellers Thonet reiste. Hier stand das alte Schätzchen schon seit 1918, wurde nun demontiert und zum Abtransport nach Eslohe vorbereitet. Ob allen Beteiligten bewusst war, dass diese nun zu ihrem nahezu einhundertjährigen Bestehen den angestammten Platz im Frankenberger Möbelwerk verlassen musste?

 

Bilder von den Demontage-Arbeiten des Esloher Werkstatt-Teams im November 2016


Sie war ein Teil der Firmengeschichte Thonet

 

Die Möbelfirma Thonet sieht sich heute nicht zu Unrecht als eine der ältesten Möbelhersteller der Welt. Seit 1819 wurde von dem Kunst- und Bautischler Michael Thonet in Boppard am Rhein die erste Werkstatt eröffnet. Dort experimentierte dieser mit neuartiger Technik und entwickelte ein Verfahren sogenanntes „Bugholz“ mit Hilfe von Wasserdampf zu biegen.  Ahorn- und Buchen-Vollholz konnte so in Form gebracht werden. Es entstand die Möglichkeit, besonders zierliche und elegante Stühle aus Holz herzustellen, die bald Aufmerksamkeit und überregionale Bekanntheit fanden.

Glückliche Umstände führten zum Umzug des Unternehmers in die österreichische Hauptstadt. In Wien gründete Michael Thonet 1849 ein Unternehmen, welches er wenig später in „Gebrüder Thonet“ umbenannte. Der Erfolg des Familienunternehmens steht im Zusammenhang mit einem Stuhl, dessen Herstellung dank der von Thonet entwickelten neuartigen Technologie des Biegens von massivem Buchenholz nahezu vollständig industriell erfolgen konnte.

Das noch junge Unternehmen etablierte sich und wurde bekannt durch die Möblierung des Cafés Daum am Kohlmarkt, eine Wiener Intuition in der sich Aristokraten und das Militär gerne aufhielten. 1859 gelang Michael Thonet der Durchbruch mit dem Stuhl Nr. 14, der als „Wiener Kaffeehausstuhl“ internationale Bekanntheit erlangte. Thonet gründete ein Netz von Fabriken, dort wo Rohstoffe und Arbeitskräfte sowie Nähe zu Transportwegen bestand. 

 

1889 wurde das Möbelwerk in Frankenberg gebaut. 

 

 

In dieser Zeit waren Thonets Bugholzstühle bereits weit verbreitet und fanden sich in den europäischen Ballsälen, Casinos und Grand-Hotels. 

 

Im Zuge der Elektrifizierung des Möbelwerks in Frankenberg wurde 1918 die Herstellung einer Dampfmaschine in Auftrag gegeben. Diese sollte einen leistungsstarken Generator betreiben, der Bewegungsenergie in elektrische Energie, also Strom für das eigene Unternehmen erzeugt. Mit Dampf, der für die Biegetechnik in der Stuhlproduktion vorhanden war, sollte die neue Maschine betrieben werden. 

 

Die Wahl fiel auf eine Firma, die über Jahrzehnte eine große Erfahrung mit der Herstellung von Dampfmaschinen vorweisen konnte:

Bereits 1892 hatte die Görlitzer Maschinenbau-Anstalt und Eisengießerei AG (heute: Siemens AG, Turbinenwerk Görlitz) den Bau von eintausend Dampfmaschinen gezählt. Die Firma wurde 1853 vom Schlossermeister Carl Körner (1826-1911) gegründet und 1872 in eine Aktiengesellschaft umgewandelt worden.

 

Hergestellt, an das Möbelwerk in Frankenberg geliefert und dort eingebaut wurde 1918 eine liegende Einzylinder-Maschine mit Ventilsteuerung (Fabrik-Nummer 2830) mit einer Leistung von 170 Pferdestärken. 

 

Den Krieg überstanden


Anfang 1945 erfolgte ein gezielter Bombenangriff der Alliierten auf das Werk in Frankenberg. Nach Ende des Zweiten Weltkrieges baute Georg Thonet, ein Urenkel des Firmengründers das völlig zerstörte Werk in Frankenberg wieder auf. Nach dem erfolgten Aufbau des Möbelwerks im Jahre 1953 wurde Frankenberg fortan Stammsitz des Unternehmens.

 

1989 wurde am Firmensitz das „Museum Thonet“ eröffnet. In dieser Ausstellung fand die in Görlitz hergestellte und auch den Krieg überdauerte Dampfmaschine keine Verwendung. Umso mehr sind nun die Vereinsmitglieder des DampfLandLeute-Museums froh darüber, dass diese imposante Maschine in Eslohe einen neuen Standort erhält und sehr bald wieder zum Leben erweckt wird. Sie wird gemeinsam mit der „Warsteiner“ Dampfmaschine, die eine vergleichbare Technik aufweist, die bereits seit vielen Jahrzehnten bestehende Sammlung von Dampfmaschinen und Motoren des Esloher Unternehmers Eberhard König (1908-1981) ergänzen und aufwerten. 


Allgemeine Daten:

Bezeichnung:

Dampfmaschine

Hersteller:

Görlitzer Maschinenbauanstalt und Eisengießerei AG

Besitzer:

Gebr. Thonet, Werk Frankenberg (Eder), von 1918 bis 2017

Herstellungsort:

Görlitz

Bauzeit:

1918

Fabrik-Nummer:

2830

Beschreibung:

Liegende Einzylinder-Maschine mit Bajonettrahmen und Ventilsteuerung. Mit Beharrungs-Achsenregler Patent Lentz, der während des Laufes durch ein Handrad am Ende der Steuerwelle verstellt werden kann. Antrieb beider Einlassventile über eine gemeinsame, höher liegende, schwingende Zwischenwelle; die Auslassventile haben zwei separate Exzenter. Die Kolbenstange geht hinten durch und hat dort einen Tragschuh. Mit gegossener, seitlich offener Kurbelverkleidung. Das geteilte Riemenschwungrad ist (vom Zylinder gesehen) rechts. Zylinderschmierung durch eine Schmierpumpe (Exzenterantrieb von der Steuerwelle), Kreuzkopf-, Kurbel- und Exzenterschmierung durch Tropföler, Umlaufschmierung des Hauptlagers mit großem Öl Gefäß auf dem Lagerdeckel. Ohne Kondensation. Das Außenlager ist als Rahmen mit Kreuzkopfgleitbahn ausgebildet; vorgesehen zum Ausbau der Maschine in eine Zwillings- oder Zweikurbel-Verbundmaschine. Treibt vom Schwungrad über Flachriemen und Spannrolle einen Drehstrom-Synchrongenerator auf hohen Lagerböcken.

Anmerkung:

Bei [GMA] bezeichnet als 1. Hälfte der Maschine (eine 2. Hälfte wurde nie ergänzt - nur der Rahmen dafür wurde geliefert.

Quelle:

[Görlitzer Maschinenbauanstalt: Ventildampfmaschinen (um 1920)] Fotos: Eberhard Lantz, Bamberg (27.05.2010)

Technische Daten:

 

Normalleistung (PS):

170

Maximalleistung (PS):

170

Steuerungsbauart:

Lentz-Ventilsteuerung

Regelungsbauart:

Achsenregler

Zylinderzahl:

1

Expansionsstufen:

1

Dampfdruck (bar):

15

Kondensation:

ohne

Abtrieb:

Riemen über Schwungrad

 

 

Vorstehende Daten: (Copyright: Albert Gieseler, Mannheim 2009: www.albert-gieseler.de)