Geschichte der Kolpingfamilie Eslohe


90 Jahre: Vom Gesellenverein zur Kolpingfamilie (1928-2018)

In diesem Jahr, 2018, feierte die Kolpingfamilie in Eslohe ihren „neunzigsten Geburtstag“. Das ist wiederholt ein Grund zurückzuschauen. Bereits im Jahre 1993 stellte der Verfasser im Rahmen der Feier zum 65jährigen Bestehen der Kolpingfamilie Eslohe die provokante Frage danach, ob „der Verein im Rentenalter“ immer noch seine Daseinsberechtigung im Ortsgeschehen habe. In seinem Vortrag vor einer versammelten Mitgliederschar machte er sich auf zur geschichtlichen Spurensuche, denn auch das war eine der Grundhaltungen Adolph Kolpings, womit er sein Werk prägte: Geschichtsbewusstsein und Fortschrittswille. Beides schließt sich nicht aus, sondern ergänzt sich. Deshalb wird das erneute Jubiläum, 25 Jahre danach, zum Anlass genommen in die Vergangenheit zu schauen und einen zaghaften Versuch zu wagen, die aktuelle Situation im Vereinsgeschehen zu kommentieren.

 

Als sich in Eslohe 1928 der Katholische Gesellenverein konstituierte, war Adolph Kolping bereits 63 Jahre tot. Er starb 52jährig am 4.12.1865 in Köln, von erbarmungslosen Herzasthmaanfällen gezeichnet. Als er noch imstande war, sich zu bewegen, hatte er seinem Bruder ein aus Rom mitgebrachtes Kreuz hastig, fast gewaltsam in die Hand gedrückt. Er hat dabei den Satz gesprochen, der wie ein Testament an seine Freunde überall in den Gesellenvereinen auf der ganzen Welt klingt:  „Dies schenk ich dir, wehre dich damit!“

Kolping Monument in Köln, oben: Tafel in der Menoritenkirche in der Kolping bestattet ist
Kolping Monument in Köln, oben: Tafel in der Menoritenkirche in der Kolping bestattet ist

 

Gesellenvereine für den sozialen Wandel in der Gesellschaft

 

Kolping, ein Mann aus einfachen Verhältnissen, hatte ein Lebenswerk geschaffen, ein festes Fundament gelegt, auf dem die katholische Soziallehre bis heute vor allem in ihrer ganz praktischen Arbeit fest und erfolgreich wurzelt. Was heute unter dem Stichwort „Hilfe zur Selbsthilfe“ als geistige Errungenschaft gefeiert wird, hat Kolping schon vor mehr als 150 Jahren vorgeführt. Die von ihm gegründeten „Katholischen Gesellenvereine“ waren Selbsthilfeeinrichtungen. Dahinter stand die Einsicht, entwurzelten und orientierungslosen jungen Männern vorübergehend eine Art Familienersatz zu schaffen.

Das Thema ist sicher nicht verfehlt, wenn bewusst gemacht wird, unter welchen Voraussetzungen es zur Gründung des ersten Gesellenvereins in Elberfeld kam.

Elberfeld, heute ein Stadtteil Wuppertals, wurde das „Deutsche England“ genannt, weil hier die Industrialisierung und damit das Arbeiterelend schon früh eingesetzt hatte. Im losen Zusammenschluss fanden sich dort bereits einige Gesellen bei regelmäßigen musikalischen Treffen. Aufgrund des regen Zuspruchs entwickelte sich daraus im Jahre 1846 der Katholische Gesellenverein, der die aktive Unterstützung durch die Pfarrgeistlichen, insbesondere von Kolping erhielt.

Adolph Kolping war nach seiner Priesterweihe im Jahre 1845 dort zum Kaplan und Religionslehrer berufen worden. Bereits ein Jahr später wird er zum Präses des Gesellenvereins, dem ersten dieser Art, ernannt. In dessen weiterer Verbreitung sah Kolping seine eigentliche Lebensaufgabe. Sein rastloses und erfolgreiches Wirken führte noch zu seinen Lebzeiten zur Verbreitung seines Werkes über ganz Europa bis hin nach Nordamerika. Seine Ideen und sein Wirken fielen damals auf fruchtbaren Boden. Dabei hatte er keine Theorie der besten aller denkbaren Welten entwickelt. Er hatte auch nicht, so wie seine Zeitgenossen Karl Marx und Friedrich Engels, mit politisch-philosophischen Lehren einen gewaltsamen Umsturz der Gesellschaft angestrebt. Nein, er hatte vielmehr Mittel und Wege ersonnen, um der Not von Menschen zu begegnen und damit einen Weg zu ebnen für einen erforderlichen sozialen Wandel. 

Pfarrkirche St.Peter und Paul in Eslohe, im Vordergrund das "Papehaus"
Pfarrkirche St.Peter und Paul in Eslohe, im Vordergrund das "Papehaus"

 

Eine Zufluchtsstätte auch auf dem Land?

 

Die in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts beginnende Industrialisierung offenbarte sehr schnell ihre sozialen Schwächen. Die Unterdrückung der ausgebeuteten Bevölkerungsschichten, des Proletariats, verlangte förmlich nach einer Sozialgesetzgebung, die es bis dahin noch nicht gab und die sich erst später entwickelte. Aber auch die Rückbesinnung auf christliche Grundsätze, die Praktizierung der christlichen Nächstenliebe, wurde als eine soziale Lösung erkannt. Darauf bauten die Gesellenvereine, die unter dem Einfluss Adolph Kolpings standen, der ja selbst aus dem Handwerkerstand hervorgegangen war.

Dort, wo die soziale Not am größten herrschte, in den Städten und an den Industriestandorten, fanden Kolpings Ideen besonderes Gehör. Die Bereitstellung von „Zufluchtsorten“ für junge Gesellen und Arbeiter in diesen Regionen war erfolgreich und ermutigend. Dort gelang es, Menschen für lebenslange Weiterbildung zu gewinnen, Gemeinschaftserfahrung und Werte, wie Familie und Glaube zu vermitteln.

Adolph Kolping war ein Mann der konkreten Tat. Sein Wollen und Handeln haben so überzeugend übereingestimmt, dass er auch viele junge Menschen in ländlichen Gebieten, so auch im kurkölnischen Sauerland, für seine Ideen der gegenseitigen Hilfe und Orientierung im Gesellenverein begeistern konnte. Die Kolpingfamilie in Meschede ist ein Beweis dafür. Sie besteht heute seit mehr als 150 Jahren. Das Jubiläum der Esloher Kolpingfamilie nimmt sich dagegen sehr bescheiden aus.

Doch wie kam es damals, im Jahre 1928, zur Gründung des Katholischen Gesellenvereins in Eslohe? Lagen auch hier die sozialen Bedürfnisse der Bevölkerung im Argen und herrschte auch eine Orientierungslosigkeit, die nach einer Zufluchtsstätte verlangte? Wohl kaum! Aber dennoch sollte die Geschichte zeigen, dass der neu gegründete Kath. Gesellenverein auch in Eslohe seine Daseinsberechtigung hatte. 

Kolpingbrüder 1933/34: v.l. Jos. Keggenhoff, Josef Krick, Joh.Schmitte, Wilh. Schulte, Ferdi Schmitte, Heinr. Eickeler, Franz Keite
Kolpingbrüder 1933/34: v.l. Jos. Keggenhoff, Josef Krick, Joh.Schmitte, Wilh. Schulte, Ferdi Schmitte, Heinr. Eickeler, Franz Keite

 

Leben im überwiegend dörflich geprägten Eslohe

 

Es war das Jahr 1928, gerade zehn Jahre nach Ende des unsäglichen Weltkrieges, dessen Gefallene längst begraben sind. Ihnen hat man bereits 1924 ein Denkmal an die Mauer der Pfarrkirche gesetzt, aber die seelischen Narben der Angehörigen und der mit mehr oder weniger „heiler Haut“ in die Heimat zurückgekehrten Soldaten sind noch lange nicht verheilt. Oberflächlich bezeichnete man später diese Zeit in der Geschichtsschreibung die „goldenen Zwanziger Jahre“. Doch der wirtschaftliche Aufschwung dieser Zeit glich einer Seifenblase, die bald nach Beginn der Weltwirtschaftskrise je zerplatzte. Die kommenden dreißiger Jahre wurden durch Arbeitslosigkeit und soziale Unruhen nachhaltig geprägt.

Das Dorfleben in Eslohe bestand damals weitestgehend aus „Gutnachbarlichkeit“, ausgehend von einem Gefühl von Zusammengehörigkeit, denn schließlich kannten sich die Bewohner ohne Ausnahme. Die Wurzeln ihres Lebensgefühls reichten weit zurück in ein ländlich geprägtes Dorfleben längst vergangener Zeiten, in denen die Bewohner fast ausnahmslos von der Landwirtschaft und dem Handwerk lebten. Damals verließen sich die Bewohner eines Dorfes gerade in Not und schlechten Zeiten auf den Beistand der Nachbarn. Man konnte sich auf die Hilfe des Anderen verlassen, denn es hatte sich ein regelrechtes System entwickelt, ein ungeschriebenes Sozialgesetz, das nur der Lebenswirklichkeit unterstellt und von der Not geschrieben war, die jeden ausnahmslos treffen konnte. So gab es keine wechselseitige Aufrechnung von Ansprüchen und Gegenansprüchen untereinander. Wenn sich die Notwendigkeit ergab, entstand Nachbarschaftshilfe in jeglicher Form.

Adolph Kolping bezeichnete dies als „Praktische Nächstenliebe“, einem Urinstinkt, der dem „modernen Menschen“ in zunehmender Weise abhandenkommt. Und er sah die dringende Notwendigkeit dies den arbeitenden Menschen im Industriezeitalter immer wieder in das Bewusstsein zurückzurufen und dieses Gefühl der Zusammengehörigkeit erneut zu erzeugen. 

Karneval bei Kolping 1953: v.l. Josef Setz (Onkel), Josef Weber (Altsenior) und Franz Keite
Karneval bei Kolping 1953: v.l. Josef Setz (Onkel), Josef Weber (Altsenior) und Franz Keite

 

Ein Platz im gesellschaftlichen Leben

 

Dieses Grundgefühl in einer Gesellschaft ist das, was zu allen Zeiten und in allen Kulturen Ausdruck in Festen und zeremoniellen Feiern findet. Und die Esloher konnten damals feiern! Im August 1927 richteten sie ein „Sauerländer Heimatfest“ aus. Mit dieser zweitätigen Festlichkeit wurde der einhundertjährige Geburtstag des Heimatdichters Fr. Wilhelm Grimme begangen. Und schon ein Jahr später feierten die Schützen ihr einhundertjähriges Bestehen nach, da das Jubiläumsfest zu Zeiten des Krieges nicht gefeiert werden konnte. Bei diesen Aktivitäten zeigten die Esloher vorbildlichen Gemeinschaftssinn. Alle aktiven Vereine, wie Männergesangverein, Schützenverein, Kriegerverein, der erst 1918 gegründete Sportverein und der gerade neu gegründete Reiterverein leisteten dazu ihren Beitrag. Wozu dann noch einen Gesellenverein gründen und welchen Platz wird dieser im gesellschaftlichen Leben des Ortes ausfüllen? Die Skeptiker wurden beizeiten belehrt.

 

 

Eine Idee und ihre Umsetzung

 

Uhrmachermeister Josef Weber ist 1928 im Alter von 26 Jahren Gründungsmitglied des Kath. Gesellenvereins in Eslohe. Gern und wohl auch mit ein wenig Stolz berichtete er damals dem Verfasser über seine Erlebnisse. Bevor er in Eslohe seine Uhrmacherwerkstatt einrichtete, führte ihn sein beruflicher Weg über Letmathe und Arnsberg. Als Geselle in seinem Lehrberuf tätig, machte er dort die verschiedensten Erfahrungen im Umgang mit Lehrherren und Kollegen. Geselliges Miteinander und sinnvolle Freizeitgestaltung, aber auch die Aussprache mit gleichgesinnten jungen Menschen, die bereit waren über ihre beruflichen Probleme und Sorgen offen und ehrlich zu sprechen. Das fand er in den ansässigen Gesellenvereinen und war davon begeistert und überzeugt.

Der junge Josef Weber in seiner Uhrmacher-Werkstatt
Der junge Josef Weber in seiner Uhrmacher-Werkstatt

Nach Eslohe umgezogen, vermisste er sehr schnell diese Gemeinschaft Gleichgesinnter. Kein anderer bereits ansässiger Verein, so empfand er es, konnte diese Lücke füllen. Doch er stand damals mit seinem Ansinnen nicht alleine da. Der Friseur Paul Schulte, „Küsters Paul“ genannt, war bereits in dem seit 1924 bestehenden Gesellenverein in Schmallenberg Mitglied. In ihm fand Weber einen aktiven Mitstreiter. In ihren Bemühungen der beiden, in Eslohe einen Gesellenverein auf die Beine zu stellen, unterstützten sie Rektor Karl Kirchberg und Dechant Grauheer nur zu gerne. Entsprechende Mundpropaganda im damals noch recht überschaubaren Eslohe führte dazu, dass bereits 33 Mitglieder an der Gründungsversammlung teilnahmen. Diese fand am 28.10.1928 in der Gaststätte Peitz, der heutigen Domschänke, statt.

Das erste Protokoll der Versammlung des Kath. Gesellenvereins Eslohe unterzeichneten die Vorstandsmitglieder, Präses Rektor Karl Kirchberg, Kassierer Menzebach und als Schriftführer Linnhoff. Josef Weber, den man mit Fug und Recht als den Vater der Esloher Kolpingfamilie bezeichnen kann, wurde zum Senior gewählt.

Die Vereinsaktivitäten begannen sogleich mit großem Elan, denn die Versammlung beschloss, eine Turn- und Mandolienenabteilung zu gründen und auch passive Mitglieder aufzunehmen. Der noch recht junge Verein sah seine Aufgaben nicht nur im religiösen und geselligen Bereich, sondern auch in der beruflichen Fortbildung der Mitglieder. Eine stürmische Aufwärtsentwicklung folgte sodann 1929. Eine Fahrt nach Köln zum Grabe Adolph Kolpings konnte organisiert und durchgeführt werden, was damals noch mit großen Schwierigkeiten verbunden war. In einer fernsehlosen Zeit fanden Theatervorführungen, von Laienschauspielern aus den Reihen der Vereinsmitglieder einstudiert, in Eslohes Bevölkerung große Beachtung.

Bald erinnerte man sich an die herrenlose Fahne des nicht mehr bestehenden Esloher Jünglingsvereins. Dies war ein Turnverein der männlichen Bevölkerung, der vornehmlich aus Junggesellen des Dorfes bestand. Nach dessen Auflösung waren alle Vereinsutensilien in die Obhut der Kirche gegeben worden. Dazu gehörten Barren, Pferd, Reck, Ringe und auch die Vereinsfahne. Diese konnte rasch in der Sakristei der Pfarrkirche ausfindig gemacht werden. Als sie dann als geeignet befunden war, wurde sie zur neuen Fahne des Gesellenvereins umgestickt. Die Fahnenweihe konnte noch im gleichen Jahr stattfinden. 

1932: Mitglieder des Esloher Gesellenvereins am Grabe Adolph Kolpings in Köln
1932: Mitglieder des Esloher Gesellenvereins am Grabe Adolph Kolpings in Köln
rechts im Bild: Lehrer Bernhard Gilberg, daneben Präses Karl Kirchberg, Bildmitte: Robert Schrage, linke Person unbekannt
rechts im Bild: Lehrer Bernhard Gilberg, daneben Präses Karl Kirchberg, Bildmitte: Robert Schrage, linke Person unbekannt

 

Schwierige Zeiten stehen bevor

 

Die anfängliche Euphorie ließ jedoch schon bald nach. Bereits 1930 begann es im Verein zu kriseln. Das Protokollbuch berichtet über einen schlechten Besuch der Versammlungen. Beherzt konnten die Aktiven doch die Talfahrt stoppen und Befürchtungen, die Blütezeit könne nur kurzfristig sein, traten Gott sei Dank nicht ein.

Als Rektor Kirchberg Ostern 1930 versetzt wurde, konnte er seinem Nachfolger im Amt als Präses, Rektor Philipp Todt, einen in sich gefestigten, geistig regen und auch politisch aktiven Gesellenverein übergeben. Einen wesentlichen Anteil an der raschen Fortentwicklung des Vereins hatte damals Lehrer Bernhard Gilberg, der als Vizepräses fungierte.

Zu jener Zeit bestand eine sehr erfolgreiche Theater- und Musikabteilung unter Lehrer Grotenhöfer, geleitet durch Paul König (Portrait in den Esloher Museumsnachrichten 1997, Seite 26). Das Salon-Orchester des Gesellenvereins musizierte zu vielen Anlässen, gab Konzerte mit Gesang und wirkte bei Theatervorführungen mit. Die Proben fanden im Saal des Hauses Schulte-Posthalter statt. Die Turnabteilung des Gesellenvereins erfreute sich an den Gerätschaften des früheren Jünglingsvereins. Die vielfältigen Aktivitäten weckten auch das Interesse der Bevölkerung in den umliegenden Ortschaften im Amt Eslohe. Sie waren gern gesehene Gäste bei Veranstaltungen und nicht wenige wurden als Vereinsmitglieder aufgenommen.

1932 organisierte der Gesellenverein wieder eine Fahrt nach Köln zum Grabe Adolph Kolpings. Das Interesse daran war sehr groß und so begleiteten Rektor Todt viele Männer und Frauen in die Domstadt. Die große Beteiligung ließ aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass schwierige Zeit für die Gesellenvereine bevorstand. „Das alte Jahr ist verflossen, ein neues geht ins Land. Dunkel liegt es vor uns. Wir wissen nicht, was es bringen wird“, so schrieb es ahnend ein Kolpingbruder. 

 

Brennende Kolpingbanner in München 

 

Im Januar 1933 ergriff Adolph Hitler als neu ernannter Reichskanzler die Macht. Der katholische Vize-Kanzler von Papen fand noch in seiner Begrüßungsansprache zur Eröffnung des ersten Deutschen Gesellentag, der vom 8.bis 11. Juni 1933 in München stattfand, verheißungsvolle Worte indem er versprach, dass auch im neuen Deutschland die christlichen Bekenntnisse ungehindert entfaltet werden könnten: „Der Kanzler und ich selbst werden Garanten dieses Versprechens sein.“ Die Wirklichkeit sah anders aus.

Auch eine kleine Delegation des Esloher Gesellenvereins gehörte zu den an die zwanzigtausend Teilnehmer, die nach München reisten. Die jungen Männer wurden von Rektor Todt begleitet. Alle konnten bei gastfreundlichen Familien beherbergt werden. Sie freuten sich auf dieses Ereignis, da auch touristische Attraktionen, wie ein Besuch des bekannten Hofbräu-Hauses und des Deutschen Museums bevorstanden.

Was sie in München erwartete, konnten sie nicht vorhergesehen haben. Schläger der SA bedrängten die Teilnehmer dieser Großveranstaltung. Träger von orangefarbenen Hemden wurden angegriffen. Man riss ihnen die Kleider vom Leibe, sie wurden aufs Übelste beschimpft und geschlagen. Hunderte von Kolpingbanner und Wimpel wurden verbrannt und die friedliche und gut organisierte Versammlung der Gesellen massiv gestört, sodass der Gesellentag vorzeitig abgebrochen werden musste. Die SA wollte ein Exempel statuieren, an alle unabhängigen, insbesondere kirchlichen Vereinigungen. Doch sie bewirkten augenscheinlich das Gegenteil: Bei der Abfahrt aus dem Münchner Hauptbahnhof flatterten unzählige Kolping-Banner aus den Zugfenstern. 

Schon bald wurden die Aktivitäten der Gesellenvereine von den Nationalsozialisten als „staatsgefährend“ eingestuft und das Vermögen der Vereine beschlagnahmt. Das war eine Demütigung für jeden rechtsempfindenden Menschen. Wut empfanden die meisten Mitglieder über diese Entwicklung, so auch Josef Quinkert aus Niedereslohe, der zu dieser Zeit Kassierer war.

Am Tag nach dem Esloher Schützenfest 1933 wurde die Kasse des Gesellenvereins von den Nazis beschlagnahmt. Die eifrigen Braunen waren wohl über ihr Ziel hinausgeschossen, denn bald darauf wurde die Kasse zurückgegeben, darin ein Zehner mehr als vorher. Doch die Mitglieder sahen sich forthin einigen Repressionen ausgesetzt. Sie wurden öffentlich aufgefordert, durch Unterschrift ihren Austritt aus dem Gesellenverein zu erklären. Nur wenige Gesinnungsgenossen, darunter auch Josef Weber, fanden den Mut, die Unterschrift zu verweigern. Kolping-Anhänger mussten ihren Austritt erklären, sie hätten sonst ihren Arbeitsplatz verloren.

Es fanden doch noch heimliche Treffen in dieser schwierigen Zeit statt, die als Bibelstunden getarnt alle vier Wochen sonntags in der Rektoratsschule abgehalten wurden. Die Schule stand damals in der Kirchstraße und war der umgebaute ehemalige Viehstall vom Pastorat. Die Fahne und alle schriftlichen Unterlagen wurden in den Gewölben oberhalb des Kirchenbodens sicher versteckt. 

Geselligkeit beim Faßanstich 1931/32. Mit dabei Franz Keite (links) u. Josef Weber (rechts)
Geselligkeit beim Faßanstich 1931/32. Mit dabei Franz Keite (links) u. Josef Weber (rechts)

 

Nach dem Krieg ein Neubeginn

 

Schon bald nach Ende des II. Weltkrieges, am 11. Oktober 1945, wurde der Verein mit einem anderen Namen neu gegründet. Vierzig Mitglieder erklärten ihren Beitritt zur „Kolpingfamilie Eslohe“. Als Senior wurde Josef Spork gewählt, zum Präses Vikar Bernhard Starke ernannt. Dieser wurde Nachfolger von Rektor Todt, der wenige Tage vor Weihnachten 1944 in russischer Kriegsgefangenschaft starb (siehe Esloher Museumsnachrichten 2005, Seite 10: „Rektor Todt – Priester in schwieriger Zeit“).

Josef Weber, der fortan als Altsenior fungierte, fand nun einen völlig neu wiederbelebten Verein vor. Doch die Zielsetzung des Vereins hatte sich nicht verändert, die Inhalte waren die gleichen, die Grundlagen sind bis heute geblieben. Doch die Umbenennung in „Kolpingfamilie“ war ein äußeres Zeichen dafür, dass sich die Zeiten geändert und die Mitgliederstruktur gewandelt hatte; und das nicht erst nach Ende des Krieges.

Längst war das Werk Kolpings nicht mehr nur dem Handwerk und der Arbeiterschaft zugänglich. Quer durch alle Bevölkerungsschichten, alle Altersgruppen, Frauen und Männer und deren Familien, können sich für die Ideen Adolph Kolpings begeistern, sich mit dem Programm des Kolpingwerkes identifizieren und an seiner Umsetzung aktiv mitarbeiten. Doch erst seit 1966 hat sich der Verband auch für weibliche Mitglieder geöffnet. 

Der Chor der Kolpingbrüder 1931/32, rechts: Senior Josef Weber
Der Chor der Kolpingbrüder 1931/32, rechts: Senior Josef Weber

Ein Heim für Kolpings Familie

Aufbruchstimmung ist die richtige Bezeichnung für die ehrgeizigen Pläne der Esloher „Kolpingsbrüder“. Ein Heim für das Vereinsleben war nicht vorhanden. Konnte dies vor dem Krieg nur angedacht werden, nun sollte es doch mit vereinten Kräften Wirklichkeit werden. Der Bau des Jugendheims, so sollte das gemeinsame Werk genannt sein, scheiterte zunächst am Mangel an Baumaterial. Doch im September 1947 konnte mit den Ausschachtungsarbeiten begonnen werden. Zu diesem Zeitpunkt hatte bereits Bernhard Bürger das Amt als Senior übernommen.
Trotz erheblicher Eigenleistung drohte der begonnene Bau wegen chronischem Geldmangel zur Dauerruine zu werden. Ende 1948 übernahm Albert Scherer das Senioramt. Wenige Monate später musste sich die Kolpingfamilie von ihrem Präses trennen. Vikar Starke, welcher großes Interesse am Wirken des Vereins gezeigt hatte, wurde nach Kreuztal bei Siegen versetzt. Ihm folgte Vikar Goermann im Präsesamt. Trotz aufkommenden Missmutes über die schleppende Bautätigkeit am Jugendheim blieb ein aktives und geselliges Vereinsleben erhalten.

 

Lebensfreude und religiöses Leben

 

1949 ist ein jubiläumsreiches Jahr: Zum 25jährigen Bestehen der Kolpingfamilie Schmallenberg sind die Esloher zur Feier eingeladen. Ein Bus wird bestellt. Der Fahrpreis beträgt zwei DM für jeden Teilnehmer. Zu Pfingsten fahren dann 15 Kolpingbrüder mit dem Fahrrad zur 100-Jahrfeier der Kolpingfamilie Köln. Adolph Kolping hatte diesen Verein am 6.5.1849 in Köln selbst gegründet. Dann folgte am 7. August die Stiftungsfeier der Kolpingfamilie in Fredeburg. Auch diese war 25 Jahre zuvor gegründet worden. Wiederholt machten sich einige Esloher Kolpingbrüder mit dem Fahrrad auf den Weg.

Die Laienspielschar der Kolpingfamilie führte mehrmals das Theaterstück „Der eingebildete Kranke“ mit Erfolg auf. Man erfreute sich mit Tanz und Spiel und genoss offensichtlich, dass eine bessere Zeit angebrochen war.

Da hat Senior Anton Mathweis aus Sallinghausen, der im Oktober 1949 als Nachfolger von Albert Scherer auserkoren wurde, die Aufgabe, ein Rundschreiben des Diözesanpräses vorzulesen. Dieser warnte darin vor der Gefahr der „Verweltlichung“ des Kolpingwerkes und tadelte übermäßiges Feiern von Festen. Die Pflicht eines jeden Kolpingbruders sei es, in jeder Lebenslage, insbesondere in der Öffentlichkeit Haltung und Disziplin zu wahren und sich eines Kolpingbruders würdig zu zeigen. Schriftführer Theo Karger vermerkt danach hintersinnig im Protokoll vom 11.10.1949: „Nach Verlesung des Rundschreibens gingen wir zum gemütlichen Teil des Abends über. Viel Spaß gab es noch zum Schluss beim Schinkenkloppen.“

Adolph Kolping hat dazu selbst einmal gesagt: „Wenn es Menschen gibt, die gegen die Lebensfreude überhaupt eifern, die alles in einen düsteren Sack voll Asche stecken möchten, denen das Jammertal der Erde noch nicht jämmerlich genug erscheint, so tut gerade niemandem die Freude mehr Not als ihnen, um wieder Menschen unter Menschen zu werden.“ Die Pflege des religiösen Lebens kam keineswegs zu kurz. Zum Ehrenpräses der Esloher Kolpingfamilie wurde Rektor Thiel ernannt. Er bereicherte in dieser Zeit das Aktionsprogramm mit einigen gut besuchten Vorträgen über vielfältige religiöse Themen. 

"Der Freischütz" Theateraufführung 1955, vorne links: Heinr. Weber als Eremit, Jos. Weber i.d. Rolle d. Kurfürsten
"Der Freischütz" Theateraufführung 1955, vorne links: Heinr. Weber als Eremit, Jos. Weber i.d. Rolle d. Kurfürsten
"Der Waffenschmied" Theateraufführung 1967, links: Jos. Weber, Heinr. Horstemke, Helga Bender, Kaspar Winkelmeyer
"Der Waffenschmied" Theateraufführung 1967, links: Jos. Weber, Heinr. Horstemke, Helga Bender, Kaspar Winkelmeyer

"Carmen", Theateraufführung 1956: Schauspieler und Orchester der Kolpingfamilie Eslohe
"Carmen", Theateraufführung 1956: Schauspieler und Orchester der Kolpingfamilie Eslohe
1953: 25 Jahre Gesellenverein/ Kolpingfamilie in Eslohe
1953: 25 Jahre Gesellenverein/ Kolpingfamilie in Eslohe

 

Jubiläumsfeierlichkeiten im vollendeten Heim

 

Bereits im Februar 1950 gab Anton Mathweis sein Amt zurück und nennt als Gründe dazu die Arbeit auf seinem Hof und die Entfernung von Sallinghausen vom Zentralort. Ein Automobil war damals noch nicht vorhanden. Heinz-Theo Karger stellte sich als Nachfolger zur Verfügung. Doch auch er beendet sein Amt wenige Monate später aus beruflichen Gründen.

So wählt die Kolpingfamilie im November 1950 wiederholt Bernhard Bürger zum Senior. Zur gleichen Zeit wird Richtfest am Jugendheim gefeiert. Mit neuem Elan wird der Weiterbau des Jugendheims betrieben, was mit Anleihen und Spenden gelingt. Nach fünfjähriger Bauzeit kann das neu errichtete Vereinsheim am 21. September 1952 seiner Bestimmung übergeben werden. Pfarrer Stolte und Präses Goermann nahmen die kirchliche Weihe vor. Der Bau des Jugendheims ist eine der hervorragenden Leistungen der Jahre bis zum 25jährigen Jubiläum, welches am 8. November 1953 gefeiert werden konnte.

Die Kolpingfamilie hatte alle Vorbereitungen getroffen, um ihr Stiftungsfest feierlich zu gestalten. Dieser denkwürdige Tag begann mit einer Gemeinschaftsmesse, die der damalig amtierende Diözesanpräses Claes persönlich zelebrierte. Beim anschließenden Treffen im festlich geschmückten Jugendheim konnte Vikar Fleischhauer, der seit Oktober 1952 Präses der Esloher Kolpingfamilie war, zahlreiche Gäste begrüßen. Dazu zählte der Bezirkspräses Pater Bunse aus Oedingen, Ehrenpräses Rektor Thiel und eine Abordnung der Kolpingfamilie Oedingen. Frauen vom Esloher Mütterverein überbrachten einen Blumenkorb. Präses Fleischhauer würdigte ausdrücklich die Verdienste, die sich der Senior Josef Weber im Kolpingwerk, aber insbesondere in der Kolpingfamilie Eslohe erworben hatte. Ehrenurkunden und Ehrennadeln für langjährige Mitgliedschaften wurden überreicht.

48 Jahre gehörte Anton Funke aus Eslohe, 45 Jahre Anton Hufnagel aus Bremscheid dem Kolpingwerk als Mitglied an. Die Esloher Kolpingbrüder Fritz Schulte, Wilhelm Molitor, Georg Thomas, Josef König, Heinrich Weber, Franz Keite, Josef Müller, Eduard Menzebach, Paul Schulte, Josef Quinkert und Anton Kebbekus waren Gründungsmitglieder und wurden für ihre 25 Jahre währende Treue besonders geehrt.
In der wiederum zahlreich besuchten Feierstunde am Nachmittag, zu der noch Pfarrer Stolte und Pfarrvikar Lewe aus Landenbeck erschienen waren und zu der auch die Kolpingfamilie Serkenrode eine Abordnung entsandt hatte, überbrachte Vikar Fleischhauer in seiner Ansprache die Glück- und Gedeihenswünsche des ersten Präses Pfarrer Kirchberg, des früheren Präses Vikar Starke und der Geistlichkeit der Nachbarorte, wie auch des ersten Vizepräses Hauptlehrer Gilberg, später wohnhaft in Velmede, vor. Landrat Gabriel schloss sich den Glückwünschen in einer kurzen Ansprache an und Amtsdirektor Wilhelm Ernst entbot die Grüße der politischen Gemeinde und des Amtes Eslohe, wobei er darauf hinwies, dass das Kolpingwerk auch eine politische Aufgabe zu erfüllen habe. Erfreut stellte er fest, dass Esloher Kolpingssöhne in den kommunalen Gremien mitwirken.

Die Festivität wurde mit musikalischen Leistungen der Musikschule König umrahmt und eine Aufführung des Theaterstücks „Gesellen in Not“ fand allseitige Zustimmung. Den Akteuren wurde reichlich Beifall gespendet. 

Zum 50ten Jubiläum wird am Pfarrheim eine Eiche gepflanzt: v.l. Jos. Schulte-Hüttemeister, Manfred König, Franz Schmidt,Pfarrer Joh. Arens, Elmar König, Josef Weber, unbek., Speckenheuer
Zum 50ten Jubiläum wird am Pfarrheim eine Eiche gepflanzt: v.l. Jos. Schulte-Hüttemeister, Manfred König, Franz Schmidt,Pfarrer Joh. Arens, Elmar König, Josef Weber, unbek., Speckenheuer

 

Einen Platz für Jung und Alt in der Gesellschaft gefunden

 

In den nun folgenden Jahren erfuhr die Kolpingfamilie eine ungeahnte Entwicklung und Ausdehnung, was Aktivitäten und Mitgliederzahlen belegen können. Im örtlichen Vereinsleben hat sie längst ihren festen Platz gefunden und zeichnet für viele, in der Öffentlichkeit beachtete Aktionen verantwortlich. Politische Diskussionen, Betstunden, Altpapiersammlungen, Belebung heimischen Brauchtums und Ausstellungen, wie zum Beispiel Krippenausstellung oder kunsthandwerkliches Schaffen in Eslohe gehören zum Programm. Auch bei öffentlichen Veranstaltungen leisteten Kolpingbrüder ihren Beitrag.

„Der Haufen machts nicht aus, sondern dass die Mitglieder tüchtige Leute sind.“ Auch dieses Zitat stammt von Kolping.

Schwerpunkt der Aktivitäten war immer der Bereich Jugendarbeit. 1973 entstand die Jungkolping-Gruppe. Mitglieder arbeiteten damals im Sachausschuss „Jugend“, der vom Pfarrgemeinderat gegründet war, aktiv mit. Von Anfang an zeichnete sich diese Gruppierung durch besondere Einsatzfreudigkeit und Ideenvielfalt aus. Mehrere Jugendgruppenleiter zeichneten dafür verantwortlich. Außer Ferienfreizeiten standen Jugendmessen, Andachten und vielfältige Veranstaltungen auf dem Programm von Jungkolping. Diese Aktivitäten haben jedoch im Laufe der Zeit Einschränkungen erfahren.

 

Ein weiterer Schwerpunkt der Arbeit ist nach wie vor der Bereich Senioren. 1976 gründete die Kolpingfamilie den „Plattdeutschen Arbeitskreis“. Mitinitiator war auch der damalige Präses Vikar Burkhard Forth, den viele Esloher ins Herz geschlossen hatten. Unter der Leitung von Paul Müller aus Eslohe richtete diese emsige Gruppe viele beliebte Veranstaltungen aus und brachte einige Veröffentlichungen in plattdeutscher Mundart auf den heimischen Markt.

Unter dem Vorsitzenden Franz Schmidt wurde 1978 das fünfzigjährige Vereinsjubiläum begangen. Eine Reihe von verschiedenen Aktivitäten ging mit diesem Jubiläum einher. Der damalige Pfarrer und Präses Johannes Arens regte an, anstatt einer traditionellen Festschrift das Buch „Rund ümme Essel“ herauszugegeben. Zur steten Erinnerung an dieses Jubiläum wurde am Pfarrheim unter Anteilnahme der Festgesellschaft eine junge Eiche in die Erde gesetzt. 

Pause auf dem Feld: v.l. Günter Schmidt, Ferdi Becker u. seine Frau, Elisabeth Winkelmeier, Antonius Fischer, Josef Schmidt u. Paul Müller
Pause auf dem Feld: v.l. Günter Schmidt, Ferdi Becker u. seine Frau, Elisabeth Winkelmeier, Antonius Fischer, Josef Schmidt u. Paul Müller

Rückbesinnen auf die Zeit der Vereinsgründung

 

Besonderes Aufsehen, auch über Eslohes Grenzen hinaus, machte 1988 die nostalgische Aktion unter dem Motto „Getreideanbau wie vor 60 Jahren.“ Es sollte in praktischer Weise vorgeführt werden, wie sich die Landwirtschaft im Sauerland und anderswo in der Zeit der Vereinsgründung, im Jahre 1928, darstellte und mit welchen heute einfach anmutenden Mitteln und hohem körperlichen Einsatz vieler Menschen auf dem Lande damals dem Boden die Ernteerträge abgerungen wurde.

Ein Jahr lang waren zahlreiche Akteure darin eingebunden, von der Aussaat bis zur Ernte und dem anschließenden Dreschen am Maschinenmuseum in Eslohe, die alte Zeit wieder lebendig werden zu lassen. Es begann mit dem Haferanbau auf dem Feld von Anton Müller bei Bremscheid. Wie damals wurde der Acker mit Pferd und Egge kultiviert und mit der Hand das Saatgut ausgesät. Der Anbau von Flachs und Kartoffeln folgte und genauso nostalgisch ging es später an die Ernte. Dem damaligen Kolping-Vorsitzenden Günter Schmidt standen einige Fachleute zur Seite, die ihre Kenntnisse über den Landbau gerne zum Besten gaben, darunter in besonderer Weise der Landwirt Ferdi Becker aus Sieperting. Zwei Radioberichte im WDR (Radio für Südwestfalen), wunderbare Fotografien und Ausschnitte aus der heimischen Presse lassen uns nicht nur an die einmalige KOLPING-Aktion im Jahre 1988, auch an die damals aktiven Mitglieder des Plattdeutschen Arbeitskreises erinnern. 

Der "Vater der Kolpings-Familie" Josef Weber (* 16.08.1906  + 01.01.1997)
Der "Vater der Kolpings-Familie" Josef Weber (* 16.08.1906 + 01.01.1997)

Sie sollen nicht vergessen sein

 

Frauen und Männer, als Vertreter der älteren Generation und sämtlich in betagtem Alter, konnten nicht nur viel erzählen, auch demonstrierten sie gekonnt die Tätigkeiten der früheren Zeit. Sie alle sind bereits von uns gegangen: Josef Schmitte, Landwirt und Schäfer aus Bremscheid; Anton Müller, bekannt als „Landrat von Bremscheid“, dessen humorvolle Verse und Geschichten in plattdeutscher Sprache bekannt sind; Antonius Fischer, Landwirt aus Isingheim, der ein umfangreiches Tagebuch während der Kolpingaktion führte; Wilhelm Belke-Bockheim, Landwirt aus Bockheim und seine Frau Luise; Josef Schmidt aus Eslohe; Reinhold Hesse aus Wenholthausen, der mit seinen Berichten im Homert-Kurier die Aktion begleitete und damit Aufmerksamkeit erreichte.

 

Die Kolpingfamilie musste sich in diesen Jahren von einigen Aktiven verabschieden, die den Verein in erheblichem Maße unterstützt und belebt hatten.

Mit dem Tod von Änne Nöcker im Dezember 1993 verstummte „Eslohes plattdeutsche Stimme“. Sie war Mitbegründerin des Arbeitskreises und wurde 1988 wegen ihrer Verdienste um das Plattdeutsche mit der Ehrenmedaille der Gemeinde ausgezeichnet. Sie begann schon früh mit dem Schreiben von Geschichten und Gedichten über ihr Heimatdorf in Mundart. Später gab sie Unterricht über die plattdeutsche Sprache in den Schulen um ihr Wissen darüber an die junge Generation weiterzugeben. Sie starb im Alter von 87 Jahren.

Auch im hohen Alter von neunzig Jahren verstarb am Neujahrstag 1997 der Vater der Kolpingfamilie Eslohe Josef Weber. Er verfolgte als Begründer des Vereins noch im hohen Alter das Vereinsleben aufmerksam. Am 6.1.1997 wurde er zu Grabe getragen. Für den scheidenden, über ein Jahrzehnt als Vorsitzenden des Vereins wirkenden Günter Schmidt, war es die letzte Aufgabe, mit seiner Grabrede die Trauer der Kolpingfamilie zum Ausdruck zu bringen: „Wir sind Josef Weber zu Dank verpflichtet.“

 

Die Zukunft wird getragen von den jungen Familien

 

Ein Jahr lang wurden die Geschicke des Vereins durch den zweiten Vorsitzenden Karl-Heinz Klaholz kommissarisch geführt bis mit Walter Schulte im Mai 1998 endlich ein neuer Vorsitzender gefunden wurde. Präses Wolfgang Brieden war erleichtert darüber, dass die Kolpingfamilie wieder einen funktionierenden Vorstand vorweisen konnte und dass dem neuen Vorsitzenden wichtig erschien, dass das religiöse Element in Familie und Kolpingfamilie gestärkt werde: „Wir brauchen wieder intakte Familien und wir brauchen mehr denn je die Jugendarbeit!“

Ein Schwerpunkt des Kolpingwerkes ist der Bereich „Arbeit mit jungen Familien“. Doch hier offenbart sich bereits lange Jahre hindurch der „Schwerpunkt“ als Schwachpunkt im Vereinsgeschehen. So sind junge Familien als Mitglieder zahlenmäßig unterrepräsentiert. Hier ist nach wie vor noch Arbeit zu leisten, Begeisterung zu wecken. Das wäre im Sinne Adolph Kolpings, der einmal gesagt hat: „Zerbrecht euch die Köpfe über die beste Staatsmaschine wie ihr wollt; ersinnt Gesetze, welche in ihrer klugen Berechnung das ganze Altertum beschämen. Solange nicht das Familienleben der übrigen Gesellschaft Würde und Halt gibt, solange nicht eine tüchtige bürgerliche Gesinnung und Tugend erzeugt und erzielt, den Geist erweckt, in dem eure Gesetzte erst Leben empfangen, werdet ihr Wasser in ein Sieb tragen.“

Kolping sorgte und kümmerte sich nicht nur um den Menschen als einziges Individuum, ihm ging es gleichzeitig auch um eine gesellschaftliche Erneuerung. Der Mensch, eingebettet in Familie und Beruf, muss auf beiden Pfeilern fest und sicher stehen. So kam es ihm nicht nur auf die Stärkung der Familie an, sondern auch auf eine katholisch geprägte Berufsethik.

 

Nur drei Jahre währte die Zeit von Walter Schulte als Vorsitzender (1998-2001). Günter Schmidt war es dann, der sich wiederum bereit erklärte für den Vorsitz bereitzustehen (2001-2003). Steffi Hönninger folgte als erste Frau in der Geschichte der Kolpingfamilie bis 2006 Heinz Bösing (+ 2018) als kommissarischer Vorsitzender das Ehrenamt von ihr übernahm und 2008 bis 2011 als Vorsitzender gewählt wurde. Seine Ehefrau Carola Bösing folgte ihm vorübergehend (2011-2012) im Amt. Seit 2012 besteht ein mehrköpfiges Leitungsteam.

 

Vielfältig ist das Jahresprogramm: Frühstück für alleinstehende Menschen, Papier-Sammelaktionen, Teilnahme an kirchlichen Veranstaltungen (Wallfahrten, Prozessionen, Anbetungsstunden), Vorbereitung von Seniorennachmittagen, die Organisation des Martinszuges, u.v.m.
Auch das Engagement der Kolpingjugend soll nicht unerwähnt bleiben. Natürlich unterliegt die kirchliche Jugendarbeit einem starken Wandel. Aktionen wie das „Siedlerlager“ oder „Wir warten aufs Christkind“ zeugen immer noch von Lebendigkeit.

 

Dennoch: Wie viele andere Vereinigungen und Gruppierungen in unserer Gesellschaft krankt es am Einsatzwillen, am ehrenamtlichen Mitmachen. Der häufige Wechsel im Vereinsvorstand könnte ein äußeres Zeichen dafür sein, dass Resignation darüber herrscht, dass die Lethargie in unserer Gesellschaft Einzug gehalten hat. Desinteresse anstatt des Willens am Mittun und Mitgestalten am Gemeinwohl lähmt die Arbeit in den Vereinen. Diskussions-Foren, Informationsabende über gesellschaftliche und religiöse Themen finden nur mäßigen Anklang, wie die Teilnehmerzahlen belegen. Dabei hat unsere Zeit mehr Fragen als Antworten zu bieten.

 

Handwerk und Arbeiterschaft haben auch heute noch Gesprächsbedarf. Die Themen sind anders aber dennoch vielfältig. Dem Handwerk plagt fehlendes Fachpersonal, drückt die Last der vom Staat auferlegten bürokratischen Regeln. Und der Arbeitnehmerschaft bewegen, rücksichtsloses Konkurrenzverhalten am Arbeitsplatz und viele andere zunehmende Problemstellungen in der modernen Arbeitswelt. Das alles fordert heraus, mehr Flagge zu zeigen. Da, wo die Politik wieder einmal zu versagen droht, entsteht nach wie vor ein Betätigungsfeld der christlichen Soziallehre. Die Ideen Adolph Kolpings bleiben zeitlos und sind heute aktueller wie nie zuvor.

 

Treu Kolping!