2021: Vor einhundert Jahren starb Prälat Dr. Franz Hitze


Erinnerung an einen großen Sauerländer

Mit einer Gedenkveranstaltung in der Kreisstadt Olpe wird anlässlich seines Todestages vor einhundert  Jahren an den Priester, Politiker und Sozialreformer Franz Hitze erinnert und sein Lebenswerk erneut gewürdigt. Die deutsche Sozialgesetzgebung trägt den Stempel dieses Sauerländers, der als zweiter Sohn seiner Eltern im kleinen Weiler Hanemicke bei Sondern (Biggesee) am 16. März 1851 geboren wurde. Die verwandtschaftlichen Zweige dieses berühmt gewordenen Sohnes reichen bis nach Eslohe und Sallinghausen. Das ist für mich Grund genug, die Vita dieses Mannes erneut zu ergründen und hier in einem Aufsatz darzustellen. 

Franz Hitze als junger Student
Franz Hitze als junger Student

Aufgewachsen in einfachen Verhältnissen

 

Franz Hitze wird geboren in einfache ländliche Lebensverhältnisse. Der Vater August Hitze und die Mutter Mina, geborene Sondermann, sind arbeitssame Bauern. Schon früh wird erkannt, dass der Junge talentiert und wissensdurstig ist. So folgt nach dem Besuch der Rektoratsschule in Olpe die Aufnahme in das Gymnasium Theodorianum in Paderborn, eine der ältesten Schulen in Deutschland. Nach erfolgreichem Abitur beginnen 1872 seine Studien über Theologie und Philosophie in Würzburg. Schon als Primaner liest Franz Hitze Literatur, die sich mit politischen und christlich-sozialen Themen auseinandersetzt. 

 

Bereits während seines Studiums 1875 hält er beim katholischen Studentenverein Unitas Vorträge über soziale Fragen und die Formen des Sozialismus. Was ihn kennzeichnet, ist der Mut, diese Vorträge 1877 zu veröffentlichen und darin seine Vorstellungen zum Kapitalismus zu verbreiten. Auch setzt er sich mit den Sozialisten auseinander, ebenso mit den Lösungen von Karl Marx (Philosoph, Nationalökonom und Journalist, geboren 1818, gestorben 1883). Dieser hatte 1867 sein erstes Buch vom Hauptwerk „Das Kapital – Kritik der politischen Ökonomie“ herausgegeben. Das ist Lesestoff für Franz Hitze, der nach seiner Priesterweihe am 26. Juli 1878 in Würzburg vom Paderborner Bischof die Chance erhielt, in Rom weiter zu studieren. 

 

Am Ende seines zweijährigen Studiums in Rom, das er als Kaplan im Campo Santo verbringt, hat Franz Hitze ein Grundkonzept erarbeitet, das er in zwei Büchern, die beide in Paderborn erscheinen, veröffentlicht. Daraus wird die kritische Auseinandersetzung mit den Marxistischen Theorien und letzten Endes deren Ablehnung erkennbar. Franz Hitze erkennt die Fortschritte des kapitalistischen Wirtschaftssystems und plädiert dafür, sich vollständig auf einen modernen Standpunkt zu stellen. Sein Ziel ist, den Umgang der Arbeiter und Unternehmer in ein Verhältnis der Gegenseitigkeit und der sittlichen Verpflichtung zu bringen. Er sieht die soziale Frage als eine sittliche, die nach Beachtung der Kirche und kirchlichen Einsatz verlangt. Als Rechtsfrage aber, verlangt sie gleichsam staatliche Aktivität. Er nimmt somit Staat und Kirche gemeinsam in die Pflicht, sie sozialen Probleme im Wirtschaftssystem zu lösen. 

 

Mitwirkung bei der Begründung der Sozialgesetze

 

Beachtlich ist der Ansatz seiner Argumente vor dem Hintergrund des bestehenden Kulturkampfes, der zwischen dem Deutschen Kaiserreich unter Reichskanzler Otto von Bismarck und der katholischen Kirche unter Papst Pius IX seit 1871 eskaliert und erst 1887 diplomatisch beigelegt wird. 

Noch von Rom aus begrüßt Hitze die energische sozialpolitische Aktivität der Zentrumsfraktion des Reichstages und lobt die deutschen Katholiken, die in dieser Hinsicht denen anderer Länder voraus seien. 

 

Kaplan Hitze macht sich durch seine Veröffentlichungen bekannt und wird 1881, wenn auch nicht promoviert, durch Protektion zum Generalsekretär für den Verband „Arbeiterwohl“, der 1880 auf dem Katholikentag in Aachen gegründet wurde, nach Mönchengladbach geholt. Der Verband vereinigte sozial verantwortliche Industrielle und andere Interessierte, um die Lage der Arbeiter zu verbessern. In seinem Amt lernte Hitze, der bisher kaum Berührung mit den täglichen Nöten der Lohnarbeiter gehabt hatte, die betrieblichen Ärgernisse und Probleme kennen und neu zu beurteilen. Das führt zu einer Wandlung seiner Anschauungen und es beginnt eine neue Lebensauffassung mit dem Ziel, alle Kraft einzusetzen um eine großzügige Sozialreform einzuleiten. 

Auch aus taktischen Gründen, aber insbesondere aus innerer Überzeugung tritt Franz Hitze 1882 als Mitglied im preußischen Abgeordnetenhaus und Reichstag ein. Er gehörte Jahrzehnte hindurch dem Parlament an und nutzte seinen Einfluss, den Staat in die Verpflichtung zu nehmen, für die Arbeiter Recht zu schaffen und Schutz zu sichern. Franz Hitze hat einen entschiedenen Beitrag geleistet, die preußischen Sozialgesetze zu gestalten.  Genauso entschieden hat er sich für eine gemeinsame Vertretung der Christen in den Gewerkschaften eingesetzt. 1893 wurde er kurz nach Gründung des „Volksvereins für das katholische Deutschland“ auf einen neu geschaffenen Lehrstuhl für Christliche Gesellschaftslehre an die Universität Münster berufen. Sein Leben ist geprägt von der Sorge um die von industrieller Entwicklung betroffenen Menschen. 

 

Auch 100 Jahre nach seinem Tod erinnert man sich

 

Am 20. Juli 1921, während eines Kuraufenthaltes im Kettelerheim in Bad Nauheim, starb der ein Leben lang aktive und mit vielerlei Aktivitäten befasste Sozialpolitiker. In seinen letzten Stunden war er begleitet von seinem Neffen, dem Kinderarzt Joseph Schulte aus Münster. Das bezeugt auch die verwandtschaftliche Verbundenheit von Franz Hitze als Teil einer großen sauerländischen Familie und seiner Heimat. Brieflich ließ er sich Zeit seines Lebens über das Leben zu Hause berichten. Oft verbrachte er seinen Urlaub daheim und zeigte dabei, dass er das Plattdeutsch nicht verlernt hatte. 

„Dem Freund und Führer der Arbeiter“ steht auf einem Denkmal, dass ihm in Münster gesetzt wurde. Seine letzte Ruhestätte fand er jedoch im Dorf Rhode, Sitz der Pfarrei, zu der Franz Hitzes Geburtsort Hanemicke gehört. 

 

Heute wird dem Sohn der Familie durch nachfolgende Generationen, anlässlich seines 100jährigen Todestag nicht ohne Stolz auf ihren berühmten Vorfahren gedacht. Nicht nur in seinem Geburts- und Heimatort im Kreis Olpe, auch im Hochsauerlandkreis finden sich Spuren der verwandtschaftlichen Beziehungen zu Franz Hitze. In Eslohe ist es die Familie Schulte („Bauer Schulte“), die mit einem Blick auf ihren Stammbaum, einen Bezug zur Familie Hitze in Hanemicke ziehen kann.

Prälat Franz Hitze im Kreise von Familienangehörigen anlässlich einer Hochzeitsfeier in Münster im Frühjahr 1914. Hinter ihm steht sein Neffe, der Kinderarzt Joseph Schulte.
Prälat Franz Hitze im Kreise von Familienangehörigen anlässlich einer Hochzeitsfeier in Münster im Frühjahr 1914. Hinter ihm steht sein Neffe, der Kinderarzt Joseph Schulte.

Franz Hitzes ältere Schwester Gertrud (geboren in Hanemicke am 11.06.1844, gestorben in Eslohe am 04.02.1902) war seit dem 25.01.1867 in Eslohe mit dem Gastwirt und Ackersmann Caspar Schulte (geboren in Eslohe am 04.06.1835, gest. ebenda am 25.07.1915) verheiratet.

 

Primiz und Nachprimiz des Neupriesters Franz Hitze

 

Folgende Begebenheit aus der Zeit des Kulturkampfes ist überliefert:

 

Nachdem Franz Hitze am 26. Juli 1878 in Würzburg zum Priester geweiht war, wurde es ihm nicht gestattet, seine Heimat-Primiz – also seine erste als Hauptzelebrant gehaltene Messfeier - in seiner Heimatpfarrei Rhode zu begehen. Deshalb feierte er seine Primiz in der Kapelle St. Valentin in Hitzendumicke. Die dem heiligen Bischof und Märtyrer Valentin geweihte Kapelle wurde 1856 in Fachwerkbauweise auf dem Hof der Familie Hitze errichtet und später durch den heute vorhandenen Ziegelbau ersetzt. Der Altar darin stammt noch aus der Hauskapelle von Franz Hitze. Eine Kopie der Primiz-Urkunde befindet sich in der Kapelle. Ministrant war damals u.a. der 13jährige Kaspar Klein, der spätere Erzbischof von Paderborn. 

 

Es ist guter Brauch, dass ein Neupriester auch eine sog. Nachprimiz feiert. Diese findet immer an einem Ort statt, wo sich der neu geweihte Priester mit verbunden fühlt. Es wurden Absprachen mit den Verwandten in Eslohe getroffen und in die Tat gesetzt. So kann der junge Geistliche Franz Hitze in der unscheinbaren Dorfkapelle St. Antonius, im kleinen Dorf Sallinghausen bei Eslohe, ohne großes Aufsehen und verborgen vor der Öffentlichkeit auch seine Nachprimiz feiern. 

 

Später, am 14.6.1892, wird die älteste Tochter der Eheleute Caspar Schulte und Gertrud, geb. Hitze, namens Maria Elisabeth Schulte (geb. in Eslohe am 7.11.1867) den Landwirt Eberhard Heymer in Sallinghausen heiraten. 

 

Und deren Bruder, Joseph Schulte (geb. in Eslohe am 1.3.1872) lässt sich in der Achtermannstraße 16 in Münster als Kinderarzt nieder. Zu dessen Familie hat Franz Hitze einen besonders engen Kontakt. So ist er selbstverständlich zu Familienfesten zu Gast, wie im Frühjahr 1914 (siehe Foto) in Münster, zu einer Hochzeitsfeier im Hause seines Neffen. Er nimmt persönlich Anteil am Glück der Frischvermählten und erscheint zur Freude und Ehre der anwesenden Verwandten, unverkennbar eine illustre Gesellschaft.  

 

Der Stolz auf den bekannten Vorfahren ist auch heute noch bei den Nachkommen deutlich spürbar und lässt das Andenken an Franz Hitze weiterhin aufleben.